Bundesregierung sieht Ausbau der Krippenplätze auf gutem Weg

"Wir liegen voll im Zeitplan"

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder sieht den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige ab 2013 nicht in Gefahr. "Wir liegen voll im Zeitplan", sagte Schröder bei der Vorstellung eines ersten Zwischenberichts am Mittwoch in Berlin. Der Deutsche Städtetag in Köln prognostizierte unterdessen ein Scheitern des Rechtsanspruchs, die Katholische Kirche sieht die außerfamiliäre Betreuung von unter Dreijährigen kritisch.

Autor/in:
Ralf Walter
 (DR)

Schröder appellierte am Mittwoch in Berlin an Länder und Kommunen, ihre Verpflichtungen einzuhalten, damit in drei Jahren für 35 Prozent der Kleinkinder ein Platz zur Verfügung steht. Bei der frühkindlichen Bildung gebe es nichts zu sparen, sagte Schröder: «Da lasse ich nicht mit mir reden.»

Auch die Länder müssten beim Ausbau der Kleinkindbetreuung Prioritäten setzen. Steigende Gebühren für Eltern müssten in Kauf genommen werden, sagte Schröder. «Wir können nicht beides haben, den Ausbau und die Kostenfreiheit.» Die Gebühren würden von den Kommunen aber am Einkommen der Eltern ausgerichtet.

Zuvor hatte das Bundeskabinett den ersten Zwischenbericht zum Kita-Ausbau für Kinder bis drei Jahre gebilligt. Schröder kündigte außerdem an, Geld für die Sprachförderung in Kitas bereitzustellen.

Ein Platz für jedes dritte Kind
Die Familienministerin geht davon aus, dass 2013, wenn bundesweit für rund jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Platz zur Verfügung stehen soll, zwei Drittel der Zwei-bis Dreijährigen und ein Drittel der Kinder zwischen einem und zwei Jahren in einer Betreuung sein werden. Für Kinder unter einem Jahr werden nur wenige Plätze vorgesehen. Die Betreuungsquote für die ganz Kleinen lag 2009 bei 2,3 Prozent. Schröder geht davon aus, dass sie nicht über fünf Prozent steigen wird. Dafür sorge auch das Elterngeld, sagte sie.

Die Stagnation bei den Geburtenzahlen werde zudem dazu führen, dass das Ausbauziel von 750.000 Plätzen bundesweit einer Versorgungsquote von 38 Prozent statt der gesetzlich festgelegten 35 Prozent gleichkommen werde, so Schröder. Dann könne man 40 Prozent der Ein- bis Zweijährigen und 70 Prozent der Zwei- bis Dreijährigen einen Platz anbieten. Dies sei realistisch und werde den Bedarf decken. 2009 war im Bundesdurchschnitt jedes fünfte Kind unter zwei Jahren und 40 Prozent der Zwei- bis Dreijährigen in einer Kindertagesstätte. Dabei gibt es große regionale Unterschiede: In Sachsen-Anhalt lag die Betreuungsquote 2009 bei 55 Prozent, in Niedersachsen bei zehn Prozent.

Gelder für Kitas in sozialen Brennpunkten
Aus dem Bundesprogramm für Bildung und Forschung stehen Schröder nach eigenen Angaben bis 2014 zudem 400 Millionen Euro zur Verfügung, die sie in die Qualität der Betreuung investieren will. 4.000 Kindertagesstätten in sozialen Brennpunkten sollen jeweils eine Teilzeitkraft einstellen können, die sich besonders um die Sprachförderung von Kindern aus Einwanderer- und bildungsfernen Familien kümmert.

Zum Fachkräftemangel sagte Schröder, das Problem sei zu bewältigen. Nach ihren Angaben fehlen in den kommenden Jahren jeweils knapp 2.000 Erzieherinnen. Mit speziellen Ausbildungsprogrammen will sie männliche Erzieher gewinnen. Derzeit arbeiten in den Kindertagesstätten und Kindergärten nur drei Prozent Erzieher, Zivildienstleistende und Praktikanten.
Zweifel an optimistischer Schätzung
Der Deutsche Städtetag in Köln prognostizierte unterdessen ein Scheitern des Rechtsanspruchs. Er warf Bund und Ländern vor, sowohl den Betreuungsbedarf als auch die Kosten unterschätzt zu haben. So reiche eine Betreuungsquote von 35 Prozent nicht aus. Der Städtetag verwies auf eine Modellrechnung des Statistischen Bundesamtes, wonach der Rechtsanspruch noch 510.000 Plätze statt der angenommenen 290.000 Plätze erforderlich mache. Schröder widersprach der Kritik und nannte die Zahlen «an den Haaren herbeigezogen».

Auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) warnte, der Kita-Ausbau halte nicht mit dem «offenkundig wachsenden Bedarf der Eltern» mit, vor allem in Ballungsgebieten. Der Verband rief Schröder auf, einen neuen Kita-Gipfel einzuberufen, damit Bund, Länder, Kommunen und Träger gemeinsam für bestehende Finanzierungsprobleme Lösungen finden könnten. Ministerin Schröder lehnt das jedoch ab.

Meisner: "Vater Staat ist weder zeugungs- noch liebesfähig"
Nach Ansicht des Kölner Kardinal Meisners muss die Politik dafür sorgen, dass Mutter oder Vater zumindest in den ersten Jahren zu Hause bleiben können. Zwar gebe es glücklicherweise kompetente Erzieherinnen. "Aber sie können Vater und Mutter nicht ersetzen." Dies sei kein überholtes Familienbild. "Hier tut der Staat noch nicht genug für die Familie", so der Kardinal. "Die Familie ist etwas Heiliges." Sie dürfe nicht durch die Förderung anderer Modelle des Zusammenlebens abgewertet werden.

In dem Interview im Frühjahr dieses Jahres beklagte der Erzbischof zugleich einen zu großen staatlichen Eingriff in die Familien. "Vater Staat holt sich immer mehr Kompetenzen heran", betonte er mit Blick auf Kinderkrippen  und Ganztagsschulen. "Vater Staat aber ist weder zeugungs- noch liebesfähig." Zwar müsse der Staat für Familien sorgen, die ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen könnten. "Das ist aber nicht das Gros".

Bischöfe: Echte Wahlfreiheit nötig
Für das "Forum deutscher Katholiken" sind Kinderkrippen für Ein- bis Dreijährige nur ein "Notbehelf". Eltern müssten eine tatsächliche Wahlfreiheit haben, "ob und wann sie ihre Kinder in die Fremdbetreuung geben". Deshalb müssten sie eine Erziehungshilfe in Höhe der Kosten eines Krippenplatzes erhalten. "Andernfalls wäre das Gerede von Wahlfreiheit Irreführung".

Auch die Deutschen Bischöfe haben sich zum Thema frühkindliche Betreuung geäußert. Auf ihrer Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2007 betonten sie, im Mittelpunkt müsse stets das Wohl des Kindes stehen. Es sei nach wie vor umstritten, ob und unter welchen Umständen es die Entwicklung von Kindern unter drei Jahren eher fördert oder beeinträchtigt, wenn sie in einer Kindertagesstätte oder von einer Tagesmutter betreut werden. Daher dürften auf keinen Fall Familien, die sich für eine Betreuung der Kinder in der Familie entscheiden, benachteiligt werden zu Gunsten jener Familien, die eine außerfamiliäre Betreuung in Anspruch nehmen.

domradio.de dokumentiert in Auszügen das Pressestatement des damaligen Vorsitzenden der DBK, Kardinal Karl Lehmann.