Schwarz-Grünes Primarschulprojekt abgeschmettert

Kein längeres gemeinsames Lernen

Das umstrittene Hamburger schwarz-grüne Prestigeprojekt der sechsjährigen Primarschule ist gescheitert. Die Reformgegner schmetterten bei einem Volksentscheid das längere gemeinsame Lernen ab. Nach neun Jahren im Amt hat zudem Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust seinen Rücktritt angekündigt.

Autor/in:
Johann Tischewski und Jana Werner
 (DR)

Er werde sein Amt zum 25. August niederlegen, sagte Beust in einer Erklärung. Seine Nachfolge soll Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) übernehmen. Mit dem eigenen Ausscheiden kündigte Beust auch die Rücktritte der Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) und des Chefs der Senatskanzlei, Volkmar Schön, an.

Zur Begründung seines Rücktritts sagte Beust, er sei seit mehr als 32 Jahren in der Hamburger Politik aktiv, darunter 17 Jahre in Spitzenämtern und 9 Jahre als Erster Bürgermeister. Viermal sei er als Spitzenkandidat der Hamburger Union angetreten, ein fünftes Mal wolle er nicht antreten. Er wolle nun seinem Nachfolger die Möglichkeit geben, sich in der verbleibenden Zeit bis zur Bürgerschaftswahl 2012 zu profilieren. Beust betonte, er habe die Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), von seinem Schritt unterrichtet.

Seine Nachfolge soll der 40 Jahre alte Ahlhaus übernehmen. Darauf einigte sich der Parteivorstand einstimmig am Sonntag. Landes- und Fraktionschef Frank Schira zufolge soll Ahlhaus am 25. August in der ersten Sitzung der Bürgerschaft nach der Sommerpause zum neuen Bürgermeister gewählt werden.

Ahlhaus ist seit zwei Jahren Innensenator. Die neue Aufgabe als Bürgermeister bezeichnete er als Herausforderung. Beust habe die Stadt wie kaum ein anderer Nachkriegsbürgermeister im positiven Sinne geprägt und hinterlasse große Fußstapfen, sagte Ahlhaus. Er wolle mit den Grünen als Koalitionspartner «verlässlich und vertrauensvoll» weiter zusammenarbeiten.

Der Koalitionspartner GAL zeigte sich indes verärgert über den Rücktritt des Bürgermeisters. «Die Koalition ist für vier Jahre gewählt, und wir erwarten, dass der Bürgermeister auch für vier Jahre sein Amt übernimmt», sagte Grünen-Landeschefin Katharina Fegebank. Mit dem Bürgermeister verlasse «die zentrale Figur mitten im Stück die Bühne».

Der GAL-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Jens Kerstan, sagte, Beusts Rücktrittserklärung komme «zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt». Zum momentanen Zeitpunkt wolle man jedoch noch nicht über eventuelle Konsequenzen für den Fortbestand der Koalition reden.

Der Hamburger SPD-Landeschef Olaf Scholz forderte Neuwahlen. Man habe mit Beust gerechnet und bekomme Ahlhaus, sagte Scholz. Es sei falsch, nun über die Köpfe der Bürger hinweg zu entscheiden.

Schwarz-Grün muss zunächst jedoch das Aus der geplanten Schulreform verkraften. Die Reformgegner der Initiative «Wir wollen lernen!» stoppten mit einem Volksentscheid die Einführung der sechsjährigen Primarschule. Nach dem vorläufigem Endergebnis erreichten sie das erforderliche Quorum von mindestens 247 335 Stimmen.

Demnach fielen 58 Prozent der Stimmen auf die Vorlage der Initiative. Die Vorlage des Senats erreichte hingegen 45,5 Prozent der Stimmen. Die 1,2 Millionen Stimmberechtigten konnten zwischen den beiden Vorlagen wählen. Insgesamt haben sich 492 057 Hamburger an der Wahl beteiligt.

«Wir freuen uns, dass wir so viele Bürger mobilisieren konnten», sagte Walter Scheuerl, Sprecher der Initiative «Wir wollen lernen!». Das deutliche Ergebnis mache die Reformgegner stolz. Die Hamburger hätten die Primarschule «mit Händen und Füßen abgelehnt», sagte Scheuerl. Spekulationen, dass er eine Karriere in der Politik anstrebe, wies er zurück.

Beust und seine Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) zeigten sich «sehr enttäuscht, dass wir nicht genügend Menschen von der Primarschule überzeugen konnten». Das Ergebnis sei bitter für alle, die ihre Hoffnungen in das längere gemeinsame Lernen gesetzt hätten. «Aber die Sache ist entschieden und das müssen wir akzeptieren», hieß es weiter. An der für Montag angekündigten gemeinsamen Pressekonferenz wird Beust nicht mehr teilnehmen.