Kirchen werben auf Begegnungsfest im Ruhrgebiet für Toleranz

Engel aus Sand

Am Sonntag stand auf der gesperrten Autobahn A40 mitten im Revier die längste Tafel der Welt. Zum Kulturhauptstadtfest "Still-Leben Ruhrschnellweg" kamen mehr als zwei Millionen Besucher. Mehr als doppelt so viele Besucher als erwartet feierten ein "Begegnungsfest der Alltagskulturen". Auch die Kirchen tafelten mit.

 (DR)

Stille geht eigentlich anders. Für einen Tag sind rund 60 Kilometer Autobahn im Ruhrgebiet zwar für den normalen Verkehr gesperrt. Stattdessen gehen, radeln, essen oder tanzen auf dem Teilstück der A40 zwischen Duisburg und Dortmund. Die Aktion "Still-Leben Ruhrschnellweg" ist einer der Höhepunkte des Kulturstadtjahres im Ruhrgebiet.

Auf der Fahrbahnseite, auf der sich tausende Gruppen, Initiativen, Kirchen, Firmen und Organisationen präsentieren, geht streckenweise nichts mehr. "Fußgänger-Stau auf der A40. Hätte ich nie geglaubt, dass ich das mal erlebe", meint Klaus-Peter Hermes aus der Reviermetropole.

Auch der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß, kommt bei seiner Visite ins Schwitzen. Gemeinsam mit Bischof Franz-Josef Overbeck vom Bistum Essen und Vertretern anderer Religionsgemeinschaften bringt Buß das große rollende Kunstrad "Engel der Kulturen" in Bewegung - ein Zeichen des interreligiösen Dialogs.

Engel aus Sand für Toleranz, Respekt und Fairness
An einem "Tisch der Religionen" in Höhe der Autobahn-Ausfahrt Essen-Huttrop hat die Künstlerin Carmen Dietrich die erste Sand-Intarsie des Engels auf der A40 geschaffen. Zumindest bis zum offiziellen Ende der Aktion "Still-Leben" wird der Engel aus Sand für Toleranz, Respekt und Fairness der Religionen miteinander werben.

Während der "Engel der Kulturen" einige hundert Meter über die Autobahn rollt und immer wieder Menschen zum Staunen bringt, schweben über den zahlreichen Tischen der kirchlichen Gruppen und Organisationen, die sich mit ihren Anliegen und Engagements beim "Still-Leben" präsentieren, gelbe Ballons, die mit einem schwarzen Kirchturm nebst Kirchturmhahn bedruckt sind. "So, wie ein Kirchturm schon von weitem sichtbar ist, wollten auch wir für die Besucher auf der A40 erkennbar sein," erklärt eine Mitarbeiterin der Evangelischen Kirchengemeinde Heidhausen.

Als Renner erweist sich die Idee einer Gruppe aus dem Bistum Essen, die am "Tisch der Religionen gebackene kleine Kirchen anbieten. Das Gotteshaus mit Kirchturm kommt riesig bei den Besuchern an. "Da sieht man doch, Kirche kriegt trotz aller Mängel auch mal was gebacken", schmunzelt ein 67-jähriger ehemaliger Bergmann. Auch Schüler der Gesamtschule Ückendorf in Gelsenkirchen haben schwarz-weiße Plätzchen mit zum "Still-Leben" gebracht.

Wenige Meter weiter werben Plätzchen für Toleranz. Schwarz-Weiß-Denken sei schlecht, Schwarz-Weiß-Gebäck dagegen schmecke gut, erläutert ein Sprecher des Interkulturellen Arbeitskreises Gelsenkirchen, an dessen Stand die Plätzchen verteilt werden. Die Sankt-Suitbertus-Gemeinde Bottrop-Vonderort zeigt im Block 45 auf der Autobahn Stadtteil-Fotos, die Kinder der Gemeinde gemacht haben. Die Kinder- und Jugendeinrichtung Arche Noah aus Bottrop, die eigentlich mit ihren Tieren beim Volksfest auf der A40 dabei sein wollte und dies nicht durfte, hat stattdessen tierische Papp-Kameraden aufgebaut.

Präses Buß und der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck werben vor einem großen Transparent für Respekt, Toleranz und Fairness im Umgang der Religionen miteinander. Der Präses bedauert, dass auch nach 40 Jahren des Zusammenlebens von Christen und Muslimen hier in Deutschland die Menschen immer noch "viel zu wenig von der Religion des jeweils anderen" wüssten. Notwendig sei es, "die friedensstiftenden Elemente der Religionen füreinander einzusetzen."

Zumindest für diesen Tag ist an der der "längsten Tafel der Welt" Toleranz und Gemeinschaftsgefühl zu erleben. Weder das dickste Gedränge noch die wegen Überfüllung gesperrten Zugänge scheinen die ausgelassene Stimmung zu dämpfen. Schließlich sei es ja ein Fest der Begegnung, ist zu hören. Da gehöre ein bisschen Tuchfühlung auch dazu.