Die Reisezeit fordert Notfallseelsorger besonders

Erste Hilfe für die Seele

Seit dieser Woche darf sich auch NRW aufmachen: auf in die Sommerferien. Doch mit der Reisewelle steigt die Unfallgefahr. Landesweit nehmen sich rund 1.200 Notfallseelsorger dieser ökumenisch bewältigten Aufgabe an. Ein vorwiegend stiller Dienst am Nächsten.

Autor/in:
Christoph Boll
 (DR)

Das Handy trägt Erich Elpers in der Woche seines Bereitschaftsdienstes Tag und Nacht bei sich. Der Einsatzkoffer ist stets griffbereit. Darin befindet sich alles, was der Priester für eine Krankensalbung benötigt: ein katholisches und evangelisches Gebetbuch, Kerzen, Teddybären und andere Kinderspielsachen sowie ein Navigationsgerät fürs Auto. Denn wenn der Notfallseelsorger gerufen wird, muss er auf schnellstem Weg Hilfe sicherstellen.

Bevor Elpers von seinem Wohnort Rheine im Nordwesten selbst quer durch den Landkreis Steinfurt fährt, versucht er deshalb im Zweifelsfall einen in der Nähe des Einsatzortes lebenden Seelsorger zu benachrichtigen. Nur so ist gewährleistet, dass die "Erste Hilfe für die Seele" in durchschnittlich weniger als 20 Minuten nach der Alarmierung vor Ort ist. Dort kümmern sich Feuerwehr, Rettungsdienst oder Polizei um Verletzte und Tote. Zur Betreuung von Angehörigen und anderen Beteiligten benachrichtigen sie den Notfallseelsorger.

Meist heißt es: Todesnachricht überbringen
Unterstützt werden die Notfallseelsorger bei den jährlich durchschnittlich 2.700 Einsätzen von etwa 600 ehrenamtlichen Helfern aus den unterschiedlichsten Bereichen - Psychologen, Pädagogen oder Sozialarbeiter. Die knapp 500 beteiligten katholischen Priester, Diakone und Pastoralreferenten werden in den Stadt- und Kreisdekanaten von Koordinatoren organisiert. Darüber hinaus haben die fünf Bistümer des Landes jeweils einen Beauftragten. Gemeinsam bilden sie die Landeskonferenz Notfallseelsorge. Auf allen Ebenen wird Kontakt gehalten mit der evangelischen Kirche.

Nur selten ist der Einsatz so spektakulär wie die Autobahn-Tragödie einer Bus-Reisegruppe aus Hopsten mit 13 Toten und 36 Verletzten im Juni 2007 oder der Amoklauf an der Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten vor fast vier Jahren. "In zwei Drittel der Fälle handelt es sich darum, zusammen mit der Polizei eine Todesnachricht zu überbringen", sagt Elpers. Verkehrsunfall oder Suizid stürzen die Hinterbliebenen ins Chaos. "Am schlimmsten aber ist der plötzliche Kindstod", so die Erfahrung des 71-Jährigen Notfallseelsorgers. Zudem betreut er als Polizeipfarrer Beamte, wenn sie psychisch extrem belastende Einsätze verarbeiten müssen.

Schmerz, Verzweiflung, Ohnmacht
Mit Grausen erinnert sich Elpers an ein sechsjähriges Kind, das quasi vor den Augen der Eltern mit einem Roller auf die Gleise fuhr und vom Zug erfasst wurde. Derart plötzliches Unglück, Leid und Tod lösen Schmerz, Verzweiflung, Ohnmacht und Angst aus. Der Seelsorger muss es aushalten können, wenn die Menschen hemmungslos weinen, oder einfach nur da sein, wenn sie im Schock erstarrt sind. Hinzu kommen ganz simple Hilfestellungen wie das Benachrichtigen weiterer Verwandter oder die Beauftragung eines Bestattungsunternehmens.

Seit vier Jahren gehört Diakon Gerd Ständer von der Pfarrgemeinde St. Marien in Rheine zum 30-köpfigen Team im Kreis Steinfurt. In einem halben Dutzend Wochenendseminaren wurde er speziell für diese Aufgabe geschult. Regelmäßiger Erfahrungsaustausch, etwa vierteljährliche Fortbildungen sowie eine jährliche Übung, bei der ein sogenanntes Großschadensereignis simuliert wird, komplettieren die Ausbildung.

"Es geht darum, da zu sein für Menschen, die in Not sind. Da ist es völlig egal, ob diese Menschen katholisch, evangelisch oder überhaupt getauft sind", beschreibt der 66-Jährige seine Motivation für diesen vorwiegend stillen Dienst am Nächsten.