2010 wird als das Jahr der Bischofsrücktritte in die deutsche Kirchengeschichte eingehen

Käßmann, Mixa, Jepsen

Die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen ist von ihrem Amt zurückgetreten. Das gab sie am Freitag auf einer Pressekonferenz in Hamburg bekannt (Erklärung im Wortlaut). Jepsen zog damit die Konsequenz aus zunehmender Kritik an ihrem Umgang mit einem Missbrauchsfall in der nordelbischen Landeskirche. Die 65-Jährige Jepsen war die erste lutherische Bischöfin weltweit.

 (DR)


Weil ihre «Glaubwürdigkeit angezweifelt» werde, sehe sie sich nicht in der Lage, «die frohe Botschaft so weiterzusagen, wie ich es bei meiner Ordination und bei meiner Bischofseinführung vor Gott und der Gemeinde versprochen habe», hieß es in der Erklärung Jepsens.

Die Schwester eines der Opfer hatte am Donnerstag eine eidesstattliche Erklärung über die Begegnung mit der Hamburger Bischöfin Jepsen Ende der 1990er Jahre veröffentlicht. Danach habe sie die Bischöfin in Lübeck nach einem Vortrag angesprochen und sinngemäß über den sexuellen Missbrauch des Ahrensburger Pastors Dieter K. an Kindern und Jugendlichen informiert.

Jepsen habe ihr daraufhin erklärt, sie wolle sich darum kümmern. Bei dem Opfer handelt es sich um eine Ahrensburgerin, die nach eigenen Angaben von dem Pastor im Alter von 16 bis 20 Jahren sexuell missbraucht worden war.

Der Ahrensburger Pastor K. soll von Ende der 70er bis Mitte der 80er Jahre mehrere männliche und weibliche Jugendliche sexuell missbraucht haben. Der mittlerweile pensionierte Seelsorger war nach ersten Hinweisen 1999 aus der Gemeinde genommen worden, hatte aber weiterhin in der Jugendstrafanstalt Schleswig als Seelsorger und an einem Ahrensburger Gymnasium als Religionslehrer gearbeitet.

Jepsen und Käßmann verbindet nun apruptes Ende
Anfang April 1992 war Maria Jepsen im Hamburger Michel zur weltweit ersten evangelisch-lutherischen Bischöfin gewählt worden. Diese Sonderstellung behielt sie in Deutschland sieben Jahre lang: Erst 1999 wurde Margot Käßmann in Hannover als zweite Frau Bischöfin.

Jepsen und Käßmann verbindet jetzt auch das abrupte Ende ihrer Karriere als Bischöfin: Käßmann war Ende Februar von allen kirchlichen Leitungsämtern zurückgetreten. Sie zog damit die Konsequenz aus einer Fahrt unter Alkoholeinfluss. Auch die Katholische Kirche hat in diesem Jahr schon ihren Bischofsrücktritt: Der Augsburger Bischof Walter Mixa musste wegen verschiedenster Vorwürfe im April sein Amt aufgeben.

Amtszeit ging bis Sommer 2012
Am 19. Januar dieses Jahres war Jepsen 65 Jahre alt geworden. Ihre Amtszeit wäre eigentlich erst im Sommer 2012 zu Ende gegangen. 1945 in Bad Segeberg geboren, studierte sie nach dem Abitur Altphilologie und Theologie in Tübingen, Kiel und Marburg. Von 1972 bis 1990 war sie Pastorin im schleswig-holsteinischen Meldorf und Leck, 1991 übernahm sie im damaligen Kirchenkreis Harburg als erste Frau in Nordelbien das Propstamt.
Prinzip ihres Amtsstils ist ihre persönliche Präsenz. «Sprachfähig sein und zuhören können - das ist mir wichtig.» Stets suchte sie das direkte Gespräch, unermüdlich war sie in der Stadt unterwegs. Neben den offiziellen Terminen und Sitzungen, Veranstaltungen und Jubiläen galten die Besuche vor allem sozialen oder diakonischen Einrichtungen und Gruppen an der Kirchenbasis. Aidshilfe, Hospize, Kitas, Krankenhäuser, Obdachlosenunterkünfte: Kirche müsse auch «Stimme der Stummen sein».


Ihr Motto: Miteinander, nicht übereinander
Der sonntägliche Gottesdienst gehört für sie zum Kern christlichen Lebens. Die Pastoren ihres Sprengels Hamburg-Lübeck mussten stets damit rechnen, dass die Bischöfin bei ihnen zum Gottesdienst kam. Nicht als offizielle Visitation wollte sie dies verstanden haben, sondern als einladende Begleitung. «Man sollte als Pastor oder Pastorin nur Gottesdienste feiern, in die man selber gerne geht», gab sie den Seelsorgern mit auf den Weg.

Auch in der Ökumene und im interreligiösen Gespräch komme es darauf an, direkt miteinander zu reden, nicht übereinander, war ihr Motto. Persönliche Kontakte zur jüdischen Gemeinde und zu den muslimischen Moscheen waren ihr wichtig. Auch den Muezzin-Ruf könne sie in Hamburg akzeptieren, erklärte sie. Ihr Verhältnis zum katholischen Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und zu Erzbischof Werner Thissen galt zuletzt als ausgezeichnet.