Erzbischof Marx besorgt über Kürzungen für sozial Schwache

"Weit vom Ideal entfernt"

Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, hat sich besorgt über Sparmaßnahmen der Bundesregierung geäußert. Diese träfen vor allem die sozial Schwachen, sagte Marx. Die derzeitigen Pläne halte er für unbefriedigend, von der Kirche fordert er er mehr Rebellion.

 (DR)

In einem Interview der "Frankfurter Rundschau" sagte Marx: «Die Ausgabenkürzungen treffen die Bürger mit kleinem Einkommen, alles andere sind im Wesentlichen nur Absichtserklärungen. Ich vermisse aber echte Strukturreformen und ein ordnungspolitisches Gesamtkonzept.» Die Sparbeschlüsse stünden im Widerspruch zur Idee des Sozialstaats. »Wir haben uns weit vom gesellschaftlichen Ideal der Durchlässigkeit entfernt. Das aber widerspricht der Idee des Sozialstaats», so Marx.

Letztlich bedrohe der fehlende soziale Ausgleich auch die Freiheit der Menschen, sagte der katholische Geistliche: «Wir haben als Kirche vielleicht zu wenig rebelliert, als es um die Agenda 2010 und Hartz IV ging. Dass nun das Arbeitslosengeld II für einen 50-Jährigen der Endzustand bis zu seiner Altersversorgung sein soll, die dann auch entsprechend niedrig ausfallen wird, das akzeptiere ich nicht.» Das sei der Weg in einen Fürsorgestaat, in dem zwar niemand verhungere, aber sich auch keiner mehr frei entfalten könne.

Missbrauch: Krise zur geistlichen Erneuerung nutzen
Was die Missbrauchsfälle in der Kirche angehe, sagte Marx, «hilft nur Offenheit, Hinschauen und Aufklärung. Ohne Wenn und Aber.» Mit dem Thema sei die katholische Kirche noch lange nicht fertig. «Es gibt zwar einige, die wieder gerne zum business as usual übergehen würden. So leicht geht das aber nicht! Für mich als Bischof ist wichtig, dass wir diese Krise zur geistlichen Erneuerung nutzen.»

In Bezug auf Verhinderung der Missbrauchsaufklärung innerhalb der katholischen Kirche sprach Marx von «Strukturen der Verantwortungslosigkeit». Besonders schlimm sei gewesen, «dass wir die Täter und die Institution geschützt und den Opfern viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben.»

Urteil des Bundesgerichtshofs gefährdet die Demokratie
Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Präimplantationsdiagnostik (PID) ist nach Ansicht Marx´ die Gleichheit und Würde aller Menschen. «Wenn ein Mensch über das Leben eines anderen entscheidet, ist der fundamentale Grundsatz der Gleichheit aller Menschen aufgehoben», so Marx. «Damit ist letztlich die Demokratie gefährdet.»

Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Gendefekte untersucht und im Fall von Schäden vernichtet. In der vergangenen Woche hatte der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass die PID nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt und damit straffrei bleibt.