Die Kirche ist mit ihrer Personalpolitik Vorbild für den Arbeitsmarkt

Mit 66 Jahren

Wenn in Wirtschaft und Politik die meisten beruflichen Karrieren enden, nehmen sie in der katholischen Kirche nicht selten erst richtig Fahrt auf. Die Berufung des 66-jähirgen Konrad Zdarsa zum neuen Augsburger Bischof zeigt: Der Vatikan setzt auf die Erfahrung seines Personals, gleichzeitig rücken Junge nach. Vorbildlich, meinen Experten.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

Als Joseph Kardinal Ratzinger 2005 Papst Benedikt XVI. wurde, sprachen nicht Wenige von einer "Übergangslösung", der Deutsche war gerade 78 geworden. Gut fünf Jahre später ist er noch immer im Amt. In der Zeit wurde er für Manches kritisiert - sein Alter jedoch spielte dabei nie eine Rolle. Inzwischen ist Benedikt der dienstälteste deutsche Pontifex der Geschichte.

Mit seiner Entscheidung, dem Oberhirten des kleinsten Bistums Görlitz nun mit Augsburg eines der größten anzuvertrauen, überrascht nicht. Mit 66 Jahren ist Bischof Konrad Zdarsa im besten Alter für einen Kirchenmann. Und es muss nicht sein letzter Posten sein. Zum Beispiel Walter Kasper: Der gerade emeritierte Kurienkardinal war genauso alt, als ihn Papst Johannes Paul II. 1999 nach Rom holte. Gerade ist der Deutsche mit 77 Jahren in den Ruhestand gegangen. "Um das Alter herum dürfen auch Kardinäle in Pension gehen", kommentierte Kasper schmunzelnd.

Vorbild für den Arbeitsmarkt?
Für den Alterswissenschaftler Marcel Temme ist der Weg der Kirche, ihr Personal einzusetzen, der richtige. Erst seitdem die Rente mit 67 eingeführt wurde, hätten viele Unternehmen der freien Wirtschaft damit begonnen, sich mit dem demographischen Wandel auseinanderzusetzen. Der Wissenschaftler beobachtet für das Dortmunder Forschungsinstitut "prospektiv" die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt für die Älteren. Und genau hier komme in den kommenden 20 Jahren noch Einiges auf die Unternehmen zu, sagt Temme im Interview mit domradio.de voraus.

Die Altersstruktur werde sich weiter ändern, die Generation 50plus weiter wachsen. Bislang hätten sich die Arbeitgeber zu wenig mit dieser Entwicklung beschäftigt, noch wären vielerorts die Arbeitsbedingungen nicht altersgerecht. Kann die Kirche hier Vorbild sein? Was den Umgang mit dem Potential des Alters angeht, "ja", sagt Temme. "Es ist positiv, dass die Älteren hier noch als leistungsfähig anerkannt werden."

Die Mischung macht's
"Die Kirche braucht beides, die Erfahrung der Älteren und den Elan der Jüngeren", sagte Franz-Peter Tebartz-van Elst, als er 2007 Bischof von Limburg wurde - und damit gleichzeitig damals zum jüngsten Bischof Deutschlands - mit 48 Jahren. Noch zwei Jahre jünger war Stephan Ackermann, als er vor einem Jahr das Bistum Trier übernahm.

Johannes Paul II., der Vorgänger Benedikts auf dem Petrusstuhl, war übrigens der jüngste Papst seit Pius IX. - der mit dem längsten historisch nachweisbaren Pontifikat in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche. Johannes Paul II. folgt ihm in dieser Liste auf Rang zwei mit 26 Jahren. Karriere in Jugend und Alter, Erfahrung und Kontinuität - die Kirche schöpft die Möglichkeiten aus.