Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper geht in Pension

Der Ökumene ein neues Gesicht gegeben

Wechsel vollzogen: Papst Benedikt XVI. hat das Rücktrittsgesuch Walter Kaspers angenommen. Elf Jahre lang gehörte der deutsche Kardinal zu den profiliertesten Persönlichkeiten im Vatikan.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Kardinal Kasper: Elf ereignisreiche Jahre "Ökumene-Minister" (KNA)
Kardinal Kasper: Elf ereignisreiche Jahre "Ökumene-Minister" / ( KNA )

Als "Ökumene-Minister", als Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen bestimmte er unter Papst Johannes Paul II. (1978-2005) wie unter Benedikt XVI. maßgeblich die Linie der katholischen Kirche gegenüber den anderen christlichen Kirchen als auch zum Judentum.

Fortschritte in den Kontakten zur Orthodoxie wie zu den Kirchen der Reformation sind zum guten Teil dem früheren Theologieprofessor und Bischof von Rottenburg-Stuttgart zu verdanken. Zum 75. Geburtstag am 5. März 2008 hatte Kasper dem Papst pflichtgemäß seinen Rücktritt angeboten. Benedikt XVI. behielt ihn zweieinhalb Jahre länger im Amt. Am Donnerstag nahm er das Pensionsgesuch an.

Anstrengende und ereignisreiche Jahre
Es seien elf anstrengende und ereignisreiche Jahre gewesen, mit viel Freude, wenn auch mit manchen Enttäuschungen, betonte Kasper in einer Bilanz. Beide Päpste hätten die Einheit der Christen nicht als Option oder gar als Luxus, sondern als Priorität ihres Pontifikats betrachtet. In ihren Diensten hat Kasper zunächst als Sekretär und seit 2001 als Präsident des Einheitsrates auf vielen Wegen, auch mit seinen Reisen nach Konstantinopel und Moskau, nach Jerusalem, Westminster und Genf ein Netz von Kontakten und Freundschaften geknüpft. Und damit bekamen die Ökumene wie der Kontakt zum Judentum ein neues Aussehen.

Bei seinem Amtsantritt lagen die Kontakte zu den Altorientalischen Kirchen brach, resümierte der Kardinal. Nach Jahren der Funkstille traf sich Kasper 2001 in Ägypten mit dem Kopten-Papst Schenuda III., dann mit Armeniern und Syrern. Die Kirchen näherten sich an; es entstand eine konstruktive Zusammenarbeit mit inhaltlichen Annäherungen. "Für mich war es wie ein Wunder", so Kasper. Auch der Eindruck vom katholisch-orthodoxen Dialog sei zunächst schlimm gewesen, räumt er ein. Inzwischen sei man auf einem guten Weg. Heute gebe es "sehr gute, ja freundschaftliche Beziehungen zum Patriarchat von Konstantinopel". Und auch das lange schwierige Verhältnis zur russisch-orthodoxen Kirche habe sich stark verbessert, ja sei inzwischen normal.

Im Verhältnis zu den Kirchen der Reformation hat sich unter Kasper ebenfalls mehr getan als oft vermutet. Im vergangenen Herbst präsentierte er mit dem Buch "Harvesting the fruits" (Die Früchte ernten) eine Bilanz von 40 Jahren Dialog mit Lutheranern, Reformierten, Anglikanern und Methodisten. In vielen Fragen bestehe heute Übereinstimmung, in anderen sei man sich näher gerückt. Zudem seien die trennenden Punkte klarer definiert. "Wir haben mehr erreicht, als wir uns vor 40 Jahren vorstellen oder erträumen konnten", sagte er - ohne Schwierigkeiten auszublenden.

Kasper bleibt in Rom - zunächst
Vor seiner Ernennung zum Bischof und seinem Wechsel nach Rom hatte Kasper eine lange Laufbahn als Theologieprofessor hinter sich. Schon mit 31 Jahren war der am 5. März 1933 im schwäbischen Heidenheim geborene und in Wangen/Allgäu aufgewachsene Lehrersohn Dogmatikprofessor in Münster. Später wechselte er nach Tübingen. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. 1989 ernannte der Papst ihn zum Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Als eigenständiger Denker hatte sich Kasper freilich auch in den Jahrzehnten als Bischof und Kardinal gezeigt, etwa wenn er sich zum Dokument "Dominus Iesus" über das Kirchenverständnis äußerte. Manches hätte man vielleicht verständnisvoller formulieren können, so seine Meinung.

Nach seiner Pensionierung will Kasper in Rom bleiben - zunächst. Die Bücher nochmals über die Alpen zu transportieren wäre sehr mühsam, sagt er. Er wolle sich der theologischen Arbeit widmen, ein Buch zur Ekklesiologie schreiben und wieder stärker als Seelsorger tätig sein, Exerzitien oder Priesterkurse halten. Zudem bleibt er bis zum 80. Geburtstag Kurienkardinal. Er ist Mitglied in der Glaubens- und der Ostkirchenkongregation, im Dialog- und Kulturrat wie in anderen Behörden. So wird der Vatikan auch weiter Rat und Erfahrungen von Walter Kasper suchen und nutzen.

Würdigungen aus Deutschland
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete den scheidenden Kardinal als einen der weltweit profiliertesten Theologen. Kasper stehe für eine Kultur des Dialogs und die ökumenische Annäherung, heißt es in einem Schreiben der Regierungschefin. Besonders geschätzt werde sein Einsatz beim Verhältnis zur Orthodoxie und den Beziehungen zum Judentum.

Die katholische Kirche in Deutschland würdigte Kasper als "Garanten eines gelebten Dialogs". Viele Jahre sei er das "geschätzte Gesicht" der katholischen Ökumene gewesen, sagte Erzbischof Robert Zollitsch für die Bischofskonferenz. Die Versöhnung zwischen den Konfessionen sei Kasper ein Herzensanliegen.