Kirche in Deutschland begrüßt Einrichtung des neuen Vatikanministeriums

"Das Evangelium neu buchstabieren"

Für Joachim Wanke ist die neue Papstbehörde ein "Anstoß, der Mut macht". Gegenüber domradio.de spricht der Erfurter Bischof über Ursachen einer zunehmend säkularen Gesellschaft - und Wege der Kirche, die Menschen wieder mit der Glaubensbotschaft zu erreichen. Vor allem die im "Katastrophengebiet", wie der Philosoph Eberhard Tiefensee die Situation in Europa im Interview mit domradio.de beschreibt.

 (DR)

domradio.de: Wie wichtig ist die Einrichtung dieser neuen Behörde?
Wanke: Ich meine, dass das die Normalsituation des Christentums in seiner Geschichte war und auch heute weithin ist. Ich freue mich sehr über diese Initiative des Papstes und begrüße das ausdrücklich. Natürlich kann eine solche Behörde nicht unmittelbar und sehr massiv eine Wende herbeiführen. Dazu sind die Ursachen für die Säkularisierung der westlichen Länder zu komplex. Aber es ist ein Anstoß, der Mut macht, diese große Aufgabe der Verkündigung des Evangeliums neu anzugehen.

domradio.de: Was kann die Behörde denn leisten?
Wanke: Man kann natürlich immer wieder auch analysieren, woher die Ursachen kommen. Man kann Initiativen vernetzen, die sich bemühen, heute in einen Dialog mit dieser säkularisierten Gesellschaft zu kommen. Und man kann die Gläubigen motivieren, Mut zu fassen und selbst auch auskunftsfähig und -fähig für den Glauben zu werden.

domradio.de: Viele Menschen in Europa wenden sich nicht bewusst vom Glauben ab, sie haben es gar nicht anders kennen gelernt. Wie kann man sie für sich gewinnen?
Wanke: Die Katechese ist ohne Zweifel eine große Grundaufgabe der Kirche. Das war sie früher und das ist sie heute noch viel mehr. Wir müssen auf dem Erfahrungshintergrund unseres heutigen Welt- und Lebensverständnisses das Evangelium neu buchstabieren. Ich sage gerne im Blick auf die Verhältnisse hier im Osten Deutschlands: Wir müssen das Evangelium auf Mitteldeutsch buchstabieren, d.h. das Lebensgefühl, auch z.B. die wissenschaftlichen Grundannahmen, die Menschen heute auch bestimmen, müssen eingebaut werden in die Art und Weise unserer Verkündigung. So zeigt sich, dass der Glaube nicht gegen unser irdisches und naturwissenschaftliches Wissen steht, sondern dass der Glaube im Gegenteil diese Welt und unser Leben größer macht. Und uns erschließt, warum wir eigentlich Freude haben dürfen am Leben und der Zukunft, die Gott uns schenken will.

domradio.de: Einerseits beklagen wir eine Auflösung der Gesellschaft in viele einzelne Einheiten, andererseits erleben wir gerade bei der Fußball-WM ein großes Gemeinschaftsgefühl - wie integrativ kann die Kirche noch in die Gesellschaft wirken?
Wanke: Der Drang zur Subjektivierung ist sehr stark. Die Menschen merken aber auch, dass die Vereinzelung dann auch eine Unterkühlung der Gesellschaft bringt. Und darum gibt es viele Initiativen - auch außerhalb der Kirche - wieder zu neuen Gemeinsamkeiten zu kommen, gleichsam die Vernetzung innerhalb der Gesellschaft zu stärken. Da meine ich, hat die Kirche eine gute Chance - trotz der Fehler und Sünden auch in den eigenen Reihen - hier Menschen miteinander zu verknüpfen, gerade im Blick auf die Botschaft, die wir zu sagen haben: Du bist von Gott angenommen, Du darfst hoffen, dass Dein Leben gelingt.

domradio.de: Gerade die Missbrauchsskandale haben dem Vertrauen in die Kirche schwer zugesetzt - wie schwierig ist es in dieser Situation, eine Neuevangelisierung zu starten?
Wanke: Ich glaube schon, dass das die Verkündigung verdunkelt, aber ich halte das nicht für unüberwindlich. Sünde und Schuld gab und gibt es schon immer auch innerhalb der Kirche. Wir sind ja nicht bessere Menschen, sondern, wenn man es verkürzt ausdrücken will: wir haben es besser, weil wir in Gottes Liebe und Erbarmen geborgen sind. Das muss überwunden werden durch eine glaubhafte Aufarbeitung, auch all der vergangenen Sünden und der Schuld, die hier aufgehäuft sind. Aber ich sehe auch Chancen in der heutigen Zeit für eine Neu-Evangelisierung. Die erste Chance besteht darin, dass für Viele das Christentum so fremd geworden ist, dass es wieder als eine Neuheit erfahren wird. Es kommt nur darauf an, dass man es gut erschließt und den Menschen auch in ihrem Verständnishorizont darbietet. Und das Zweite: Heute kommt es sehr auf das persönliche Zeugnis von Menschen an, das ist gefragt. Wir müssen als Institution zurücktreten und deutlicher machen, dass Kirche aus Zeugen des Glaubens besteht: aus Frauen und Männern, Kindern und Jugendlichen, die einfach mit ihrem eigenen Gesicht für das Evangelium einstehen. Dann wird auch das Gehör finden, was dem Papst ein Anliegen ist. Dass nämlich das Evangeliums die gute Melodie, die Gott uns schenkt, wieder die Herzen erwärmt und auch zur Lebensumkehr hinführt.      

Das Gespräch führte Mathias Peter.
(dr)