domradio.de-Kommentar zur Umfrage unter Priestern in Österreich

"Nicht der Zölibat ist das Problem"

Vier von fünf Priestern in Österreich sind für eine Abschaffung des Zölibats. Doch wären mit dem Ende der priesterlichen Ehelosigkeit auch die Probleme der Kirche aus der Welt? Nein, meint domradio.de-Redakteur Jan Hendrik Stens.

DOMRADIO.DE-Redakteur Jan Hendrik Stens (DR)
DOMRADIO.DE-Redakteur Jan Hendrik Stens / ( DR )

Die Meldungen erschienen gestern fast parallel. Während Papst Benedikt XVI. in seiner Predigt die Gründung einer Behörde zur Neu-Evangelisierung in der säkularisierten Welt ankündigt, meldet eine katholische Agentur in Österreich, also einem Land, das Bestandteil dieser "säkularisierten westlichen Welt" ist, dass nach einer Umfrage 79 Prozent von 500 befragten Priestern für eine Abkehr von der Zölibatspflicht votieren und immerhin 51 Prozent die Ordination von Frauen befürworten. Der Theologe Paul Zulehner warnt nun vor einem Auseinanderdriften von Kirchenleitung und dem "Bodenpersonal" in den Gemeinden.

Dass in manchen Gemeinden schon längst nicht mehr interessiert, was Papst und Bischöfe sagen, ist leider eine bittere Wahrheit. Und insofern dürften Konflikte vorprogrammiert sein, wenn ein solcher Rat zur Neu-Evangelisierung seine Arbeit erst einmal aufnimmt. Wo liegt das Problem? Gestern - noch vor Bekanntwerden der österreichischen Studie - sagte mir ein befreundeter Psychologe aus Ostdeutschland, wir bräuchten zunächst einmal einen Päpstlichen Rat zur Neu-Evangelisierung der Priester und Hauptamtlichen im kirchlichen Dienst. Was meinte er damit? Sollen die Geistlichen an die Regeln des Kirchenrechts, der bischöflichen und päpstlichen Instruktionen und die der würdig zu feiernden Liturgie erinnert werden?

Papst Benedikt meint allerdings mit Neu-Evangelisierung keine Einnordung in Sachen Zölibat oder Frauenordination. Es geht ihm darum, den alten Glauben neu zu verkünden. Und dazu braucht es kundige Boten, die mit Herz und Verstand glauben, was sie verkünden. Um es ganz konkret mit einer Frage Jesu aus dem heutigen Evangelium zu präzisieren: "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" - Diese Frage müssen Priester wie Laien heute neu und persönlich beantworten. Ist Jesus Christus für mich der Sohn Gottes? Schritt für Schritt sollte jeder von uns einmal die Sätze des Großen Glaubensbekenntnisses durchlesen und sich ernsthaft die Frage stellen: Glaube ich das wirklich? Da steht nichts von Zölibat oder Frauenordination, nichts von Priestern und Laien, nichts von Kolping oder Caritas. Das sind auch nicht die wirklichen Probleme, die eine solche Neu-Evangelisierung erfordern.

Das Christentum ist in unserer westlichen Welt zu einer nur noch ethisch moralisch definierten Institution geworden. Ein Christ ist immer gut zu seinen Mitmenschen, er ist tolerant, er stellt seine persönlichen Ansprüche gegenüber denen seiner Mitmenschen zurück. Der Papst - so scheint es - steht ein für den Weltfrieden, für die Menschenrechte oder gegen den Klimawandel. Alles sicher hehre Tugenden, die für Ansehen und Respekt in der Gesellschaft sorgen und unter dem gegenwärtigen Glaubwürdigkeitsverlust massiv leiden. Doch dass sich hinter Kirche doch so etwas wie eine reale Person, nämlich Jesus Christus verbirgt, der Gottes Sohn ist und durch seinen Tod am Kreuz die Welt erlöst hat, das fällt selbst in Kirchenkreisen immer wieder gerne unter den Tisch. Auch wer gegen den Zölibat und für die Frauenordination ist, braucht deshalb nicht den Glauben an Jesus Christus als Sohn Gottes zu verlieren.

Und so müssen sich auch Leute wie Paul Zulehner und die befragten österreichischen Priester die Frage gefallen lassen, was sie denn in den vergangenen Jahrzehnten zu dieser Entwicklung beigetragen haben und wie sie zu unserem Credo stehen. Sicher, auch auf Strukturfragen und den Personalnotstand in den Gemeinden müssen Antworten gefunden werden. Aber zum Zeugnis für den Glauben sind in unserer Kirche alle berufen, Kleriker und Laien wie Frauen und Männer gleichermaßen. Wenn wir diese prophetische Aufgabe, die durch die Salbung in der Taufe grundgelegt ist, etwas ernster angingen und wieder Christus in den Mittelpunkt unserer Verkündigung stellten, dann werden Fragen nach Zölibat und Frauenordination nebensächlich.