Kirchen kritisieren erneut Ungerechtigkeit beim Sparpaket

Wo bleibt die Solidarität?

Kirchen und Verbände haben das Sparpaket der Bundesregierung am Wochenende heftig kritisiert. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, mahnte angesichts der aktuellen Spardebatte soziale Gerechtigkeit an. Arme, Schwache und Benachteiligte dürften nicht übersehen werden, forderte er im Kloster Andechs.

 (DR)

Christen müssten in Solidarität mit ihren Mitmenschen leben und handeln und dürften daher zum aktuellen Sparpaket nicht schweigen, sagte Zollitsch. Eine Kirche, die sich auf Jesus Christus berufe, werde "auch die nicht aus dem Blick verlieren, die keine Lobby haben" und die nicht mit dem hohen Tempo der Gesellschaft mithalten könnten. Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, forderte eine stärkere Beteiligung der Reichen an Einsparungen.

Massenproteste nicht auszuschließen
Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, sagte am Samstag im SWR, Massenproteste seien nicht auszuschließen, «wenn noch klarer wird, was in dem Sparpaket wirklich drinsteckt». Die geplanten Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik gingen auch zulasten von Menschen mit Behinderungen und gesundheitlichen Problemen, während die Wohlhabenden völlig außen vor blieben, kritisierte sie. Statt der geplanten Streichung des Rentenbeitrags für Arbeitslose und der Abschaffung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger plädierte sie für einen höheren Spitzensteuersatz, mehr Erbschaftssteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

Außerdem sollte die Bundesregierung einen Armutsbeauftragten einsetzen, so Mascher. Dieser solle nach dem Vorbild des Behindertenbeauftragten Gesetze auf Verschlechterungen für Arme überprüfen.

Käßmann: Sozialen Frieden nicht gefährden
Käßmann sagte in Interviews des epd und des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel": "Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander." Es dürfe nicht sein, dass gerade Hartz-IV-Familien und Wohngeldempfänger belastet werden, so die Theologin. "Wir müssen wachsam sein, dass der soziale Friede nicht gefährdet wird", sagte sie. Wer mehr leisten könne, sollte auch mehr zur Solidargemeinschaft beitragen als andere.

Deutliche Änderungen am Sparpaket forderte auch die künftige Sozialpfarrerin der westfälischen Landeskirche, Heike Hilgendiek. Eine ungerechte Belastung einkommensschwacher Haushalte berge "sozialen Zündstoff", warnte sie im Gespräch mit dem epd. Bei Hartz-IV müsse es Nachbesserungen geben. "Eine Überprüfung und teilweise Erhöhung der Regelsätze - das ist dran."

Mehrheit für stärkere Beteiligung der Besserverdienenden
Nach einer Umfrage der TNS Forschung im Auftrag des "Spiegel" sind 86 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass Besserverdienende und Vermögende stärker an der Beteiligung der Wirtschaftskrise beteiligt werden sollten. Unter den Anhängern der FDP hätten dies immerhin noch 60 Prozent der Befragten befürwortet, berichtete das Nachrichtenmagazin.

Die Sänger Herbert Grönemeyer und Marius Müller-Westernhagen sprachen sich im «Spiegel» für einen höheren Spitzensteuersatz aus. "Es kann nicht sein, dass eine so reiche Gesellschaft wie die deutsche nicht in der Lage ist, ein ausbalanciertes Einkommensniveau zu erreichen", sagte Grönemeyer.