Kirchen erinnern an den 17. Juni 1953

Gedenken an den Arbeiteraufstand

Die Wissenschaftlerin Gesine Schwan hat Parallelen zwischen dem 17. Juni 1953 und der heutigen Zeit gezogen. Deutschland stehe heute vor einer ähnlich schwierigen Situation, sagte Schwan am Mittwoch im Bundestag anlässlich einer Gedenkstunde zum Jahrestag des Volksaufstands in der DDR.

 (DR)

Die Finanz- und Wirtschaftskrise «spannt unser System bis zur Grenze an». Forderungen nach Freiheit und Recht seien nach wie vor aktuell. Sie mahnte, aus der Vergangenheit zu lernen, um eine gute Zukunft zu gewinnen, sagte Schwan. «Viele plagen heftige Zweifel an der Fähigkeit der politischen Demokratie, die drängenden Probleme zu lösen - etwa Regeln für die globale Wirtschaft zu etablieren», betonte die Wissenschaftlerin. Ein «Gefühl der Ohnmacht und Ungerechtigkeit» habe sich verbreitet angesichts von Milliardenbürgschaften von Banken, die kurze Zeit später wieder Milliardengewinne einstrichen. Sie fragte zudem, müsse die Distanz zur Demokratie nicht wachsen, wenn trotz «drastischer und beschämender Kinderarmut» bei Familien und «Hartz IV»-Empfängern gespart werde?

Schwan fügte hinzu: «Dass es unter der Oberfläche gärt, kann man nicht abstreiten.» So sei «auch Demokratie kein Heilmittel gegen soziale Verwerfungen». Sie forderte diejenigen auf, «die Macht haben» in Deutschland, verantwortliche freie Bürger mehr in Entscheidungen einzubeziehen. Repressionen seien dagegen schon 1953 in der DDR eine Kapitulationserklärung gewesen.

«zwei Seiten derselben Medaille»
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) würdigte den 17. Juni 1953 als «herausragendes Datum der deutschen Freiheits- und Einheitsgeschichte». Der gescheiterte Volksaufstand 1953 und die geglückte friedliche Revolution 1989/1990 seien «zwei Seiten derselben Medaille», sagte der CDU-Politiker. Der Tag habe am Anfang einer ganzen Reihe von Aufständen in Mittel- und Osteuropa gegen die kommunistische Herrschaft und für die Freiheit gestanden.

Lammert sprach zugleich die Solidarität und Unterstützung des Bundestags für Menschen aus, die auch heute noch «für ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen». Als Beispiele nannte er Iran, Thailand und Ägypten.

Kränze und Rosen
Mit einer Kranzniederlegung wollen Bundesregierung und Berliner Senat heute an den 57. Jahrestag erinnern. Dazu werden am Mahnmal für die Opfer auf dem Friedhof Seestraße 92 Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) erwartet.

Die SPD will am Denkmal für die Opfer des Volksaufstandes an der Leipziger/Ecke Wilhelmstraße 1.000 rote Rosen niederlegen. Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 in der DDR war der erste große Aufstand gegen eine kommunistische Diktatur nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Er wurde von sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagen.

Thissen: "Unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt"
Der Hamburger katholische Erzbischof Werner Thissen hat die deutsche Wiedervereinigung als bleibendes Geschenk gewürdigt. Bei einem Gottesdienst mit Bundestagsabgeordneten am Donnerstag in Berlin erinnerte Thissen an den 17. Juni 1953. Dieser Tag mit dem Arbeiteraufstand in der damaligen DDR sei "unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt". Menschen in ganz Deutschland hätten stets für die Einheit Deutschland gebetet und gebangt.

Thissens Erzbistum Hamburg erstreckt sich sowohl auf die alten Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein als auch auf Mecklenburg. Bei der Arbeit werde ihm fast täglich bewusst, wie dankbar die Menschen für die Einheit seien, die es immer wieder zu gestalten gelte. An der Feier nahmen mehr als 40 Abgeordnete teil, die meisten aus der CDU, aber auch einige von CSU, SPD und FDP. Gekommen waren auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die früheren Bundesminister Franz Josef Jung und Heinz Riesenhuber (alle CDU) sowie mehrere Staatssekretäre.

Tausende Arbeiter hatten am 16. Juni 1953 in Ost-Berlin gegen eine zehnprozentige Arbeitsnormerhöhung protestiert und freie Wahlen gefordert. Am 17. Juni erfasste der Aufstand die gesamte DDR. Hunderttausende nahmen an Streiks, Demonstrationen und Protestaktionen teil. Der Volksaufstand wurde von sowjetischen Panzern blutig niedergeschlagen.