Einkommensstudie heizt Debatte über soziale Ungerechtigkeit an

Die Schere geht weiter auseinander

Eine heute erscheinende Studie wird die Debatte über soziale Ungerechtigkeit und das Sparpaket der Regierung weiter anfeuern. Demnach wächst die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland weiter. Die Mittelschicht bleibt auf der Strecke, die Wissenschaftler sprechen von "Statuspanik".

 (DR)

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete am Dienstag (15.06.2010) vorab über die Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Studie stelle eine deutliche Polarisierung der Einkommen im letzten Jahrzehnt fest. "Auf der einen Seite steigt die Zahl der Menschen, die im Luxus leben, und auf der anderen Seite die Zahl derjenigen, die mit niedrigem Einkommen auskommen müssen oder sogar arm sind", zitierte das Blatt die DIW-Forscher.

Die Studie solle am Dienstag veröffentlicht werden und beziehe sich auf den Zeitraum 2000 bis 2009, schrieb die Zeitung. Ihr zufolge seien in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen in die Schicht derer gerutscht, die nur niedrige Einkommen erzielen. Zu dieser Gruppe gehöre, wer weniger als 70 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat.

Bei einem Paar mit zwei Kindern unter vierzehn Jahren entspreche dies einem monatlichen Netto-Einkommen inklusive Kindergeld und anderen staatlichen Leistungen von 1800 Euro. Im Jahr 2000 hätten noch 18 Prozent zu dieser Gruppe gehört; im Jahr 2009 sei der Anteil auf fast 22 Prozent gestiegen. Gleichzeitig sei die Gruppe der Wohlhabenden gewachsen, die mehr als 150 Prozent des mittleren Einkommens ausgeben können und zwar von 16 Prozent im Jahr 2000 auf 19 Prozent im Jahr 2008.

"Statuspanik" bei Mittelschicht
Diese Entwicklung lasse die Mittelschicht schrumpfen und löse dort starke Ängste aus, schrieb das Blatt. Es entstehe eine "Statuspanik" derjenigen, die fürchten, aus der Mittel- in die Unterschicht abzusteigen. Die DIW-Forscher hielten es für möglich, dass sich Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass ausbreiten, weil Angehörige der verunsicherten Mittelschicht Schuldige für die Entwicklungen suchten.

IG-Metall-Chef Berthold Huber sagte der Zeitung, die Ergebnisse der DIW-Studie machten deutlich, "wie die falsche Politik der vergangenen Jahre das soziale Gleichgewicht in Deutschland aus der Balance gebracht hat".

Sparpaket in der Kritik

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat das Sparpaket der Bundesregierung derweil als «sozial unausgewogen» kritisiert. Aus Gründen der Generationengerechtigkeit bei «Hartz-IV-Familien» zu sparen, mache Politik genau so unglaubwürdig, wie Steuererhöhungen bei Besserverdienenden auszuschließen, erklärte Overbeck am Dienstag in Essen.

Die soziale Marktwirtschaft sei gefährdet, wenn sie nicht von der Kultur eines gemeinsinnorientierten Konsensbemühens gestützt wird. Zur Konsolidierung der Staatsfinanzen dürften nicht nur die Schwächsten herangezogen werden, kritisierte der Ruhrbischof. Bundesregierung und Opposition mahnte er gleichermaßen zu mehr Verantwortung und sozialer Gerechtigkeit: «Jetzt ist nicht der Augenblick für parteitaktische Schachzüge!»