Kontroverse um Sparpaket dauert an

Kritik aus Kirche und Opposition

Die Kontroverse um die Sparbeschlüsse der Bundesregierung dauert an. Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, bezeichnete das geplante Sparpaket als sozial ungerecht. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) mahnt Korrekturen an.

 (DR)

Schneider sagte am Mittwochabend in der ARD-Sendung «Hart aber Fair» über das Sparpaket: «Es hat eine soziale Schieflage und wird dazu dienen, dass wir ein weiteres Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich haben werden.» Der 62-jährige Theologe äußerte Unverständnis über die Pläne von Schwarz-Gelb, das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger zu streichen.

Gerade für Kinder stimmten die Hartz-IV-Leistungen schon jetzt hinten und vorne nicht, sagte Schneider und verwies auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem die Sätze für Kinder neu berechnet werden müssen. An den vorgesehenen Einsparungen müssten sich die oberen reichen zehn Prozent der Gesellschaft nicht beteiligen, kritisierte der oberste Repräsentant des deutschen Protestantismus. Die Bereitschaft vieler vermögender Menschen, zu den Einsparungen beizutragen, sei von der Bundesregierung nicht genutzt worden.

BDKJ fordert Korrekturen
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat das Sparpaket der Bundesregierung als einseitig bewertet und Korrekturen angemahnt. Die geplanten Maßnahmen gingen zu Lasten von Menschen in Armut, erklärte die BDKJ-Bundesvorsitzende Ursula Fehling in Berlin. Zwar sei die Jugend sehr daran interessiert, dass in Deutschland gespart werde und der Staat nicht bankrott gehe. Aber das müsse gerecht ablaufen. Fehling verwies darauf, dass heute Jugendliche von allen gesellschaftlichen Gruppen am stärksten von Armut betroffen seien. Schon jetzt griffen Sanktionen bei jugendlichen Hartz-IV-Empfängern das Existenzminimum an, so die BDKJ-Vorsitzende.

kfd kritisiert Sparmaßnahmen bei Familien
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) hat die angekündigten Sparmaßnahmen der Bundesregierung für Familien heftig kritisiert. Durch die geplante Kürzung des Elterngelds würden die positiven Ansätze in der Familien- und Gleichstellungspolitik wieder zurückgefahren, erklärte der Verband am Mittwoch in Düsseldorf. Noch bei der Vorstellung des «Familienreports 2010» am 1. Juni habe Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) betont, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sei die Familie das «stabile Fundament unserer Gesellschaft». Dieses Fundament werde jetzt untergraben.

Die kfd-Bundesvorsitzende Maria Theresia Opladen kritisierte zudem, von vielen der angekündigten Sparmaßnahmen seien besonders Frauen betroffen. Das gelte beispielsweise für das Thema der Ausweitung der Vätermonate: «Dass dieses für die Gleichstellung wichtige Vorhaben jetzt unter dem Diktat der Sparmaßnahmen gestoppt wird, ist enttäuschend», sagte Opladen.

Die kfd appellierte an die Politik, in der Arbeitsmarktpolitik - gerade auch im Blick auf Alleinerziehende und Hartz-IV-Empfängerinnen - gezielt Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ergreifen. Im Rahmen der Bildungspolitik sei auf die Förderung von Kindern vom Kleinkindalter an ein besonderer Schwerpunkt zu legen. Die kfd ist nach eigener Darstellung mit rund 600.000 Mitgliedern die größte Frauenorganisation in der Bundesrepublik.

Familienbund lehnt Kürzungen beim Elterngeld strikt ab
Auch der Familienbund der Katholiken hat die beschlossenen Kürzungen beim Elterngeld scharf zurückgewiesen. „Mit den Sparbeschlüssen hat die Bundesregierung den familienpolitischen Rückwärtsgang eingelegt. Die Kürzungen beim Elterngeld führen zu einem Vertrauensverlust bei jungen Familien und senden damit ein fatales Signal. Die Grundsätze einer nachhaltigen und verlässlichen Familienpolitik werden so über Bord geworfen", sagte Elisabeth Bußmann, die Präsidentin des Familienbundes der Katholiken.

Bußmann kritisierte besonders die Streichung des Elterngeldes für Hartz IV - Empfänger/innen. „Damit werden die sozial Schwächsten am stärksten benachteiligt. Eine weitere Verschärfung der ohnehin dramatischen Kinderarmut ist die Konsequenz. Die ersten Lebensmonate sind entscheidend für die gesamte weitere Entwicklung eines Kindes. Eine Zunahme des wirtschaftlichen Drucks in dieser ersten Phase bleibt folglich nicht ohne spürbare Negativfolgen für die betroffenen Kinder. Auch der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft wird letztlich massiv geschadet", so Bußmann weiter.

Bußmann verwies zudem auf Einsparpotential in anderen Bereichen. So koste die Anfang 2010 erfolgte Halbierung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen dem Staat jährlich eine Milliarde Euro. Würde diese unbegründete Privilegierung rückgängig gemacht, könnten die Kürzungen beim Elterngeld nicht nur vermieden, sondern sogar der im Koalitionsvertrag geplante Ausbau der Partnermonate sowie die Einführung eines Teilelterngeldes umgesetzt werden.

Künast: "Mut- und konzeptlos"
Grünen-Fraktionschefin Künast sagte dem Bayerischen Rundfunk, das Sparpaket der Regierung sei mut- und konzeptlos. Der Staat greife nur ins Portemonnaie derer, die wenig hätten wie zum Beispiel Hartz-IV-Empfänger. «Es geht um Elterngeld, um deren Beiträge in der Rentenkasse. Und es ist richtig unmutig, wenn es um Reiche geht, und wenn es um die Wirtschaft geht», rügte Künast. Privilegien wie das Dienstwagenprivileg und das Ehegattensplitting müssten abgeschafft werden, forderte die Grünen-Politikerin.

Hingegen warnte Arbeitsministerin von der Leyen davor, das Sparpaket wieder aufzuschnüren. Die Haushaltsklausur der Koalition sei eine «Nagelprobe» für Schwarz-Gelb gewesen, sagte die Ministerin der «Frankfurter Rundschau» (Donnerstagsausgabe).

«Keinem Arbeitslosen ist geholfen, wenn dieser Staat pleite geht oder sich die Schuldenspirale in eine Inflation weiterdreht», unterstrich die die CDU-Politikerin. Die Einschnitte täten weh. Aber noch schlimmer wäre es, den Menschen die Perspektive zu nehmen. «Das tun diese Sparanstrengungen nicht», betonte von der Leyen.

Die Regierung verlagere damit allerdings den Schwerpunkt. «Statt Langzeitarbeitslosigkeit zu finanzieren, konzentrieren wir uns auf die Bildung», sagte von der Leyen. Mit dem Sparprogramm sei ein «Vertrag auf Gegenseitigkeit» geschlossen worden. «Wir belasten die Wirtschaft, nehmen den Staat zurück und verändern die Sozialsysteme», sagte die Ministerin.

Die Bundesregierung will bei den Sozialausgaben im kommenden Jahr fünf Milliarden Euro einsparen. Darauf hatte sich das Bundeskabinett am Montag verständigt. Die stärksten Kürzungen sind bei der Arbeitsmarktpolitik vorgesehen sowie beim Elterngeld. Insgesamt sollen im kommenden Jahr 11,2 Milliarden Euro eingespart werden. Bis 2014 will die Koalition insgesamt rund 80 Milliarden Euro sparen, es handelt sich damit um das größte Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik.