Die religiöse Vita des Christian Wulff

Ein Katholik für Schloss Bellevue

Voraussichtlich wird mit Christian Wulff nach einem halben Jahrhundert wieder ein Katholik zum deutschen Bundespräsidenten gewählt. Nach Heinrich Lübke (1894-1972), der ab 1959 das höchste Staatsamt zehn Jahre inne hatte, wäre Wulff erst das zweite katholische Staatsoberhaupt der Bundesrepublik.

 (DR)

Geboren ist Wulff am 19. Juni 1959 in Osnabrück, wo er eine klassisch kirchlich geprägte Kindheit verlebte: katholischer Kindergarten und katholische Elisabethschule, mit acht Jahren Sternsinger. «Für mich», sagt Wulff, «ist Osnabrück Heimat. Hier bin ich getauft, habe Erstkommunion, Firmung und wesentliche Jahre meines Lebens erlebt.»

Seine Verbundenheit zur Kirche betont der 50-Jährige immer wieder, zeigt sich «froh über die fruchtbare Zusammenarbeit» und traurig über das derzeit schlechte Ansehen der Kirche angesichts der Missbrauchsfälle. 2008 fand in seiner Geburtsstadt der Katholikentag statt, bei dem der Ministerpräsident in doppelter Hinsicht Hausherr war. Doch hatte seine katholische Biografie zuvor einen drastischen Knick erfahren. Nach knapp 20 Jahren Ehe trennte sich Wulff 2006, von den Medien begleitet, von seiner Frau Christiane, mit der er eine 16-jährige Tochter hat. Im März 2008 heiratete er die fast 15 Jahre jüngere PR-Beraterin Bettina Körner, die wenig später den gemeinsamen Sohn Linus Florian zur Welt brachte.

Vom Sakrament der Eucharistie ausgeschlossen
Nach geltendem Kirchenrecht ist Wulff weiterhin Mitglied der katholischen Kirche, bleibt aber wegen der neuen Eheschließung vom Sakrament der Eucharistie ausgeschlossen, da seine erste Ehe kirchenrechtlich weiterhin besteht. Für den Landesvater ist dieser Zustand, wie er sagt, ein sehr schmerzliches Faktum. Kirchlichen Segen holte das junge Paar sich in der evangelischen Kirche - Bettina Wulff ist Protestantin. Auch der gemeinsame Sohn ist evangelisch getauft. Einen nachhaltigen Imageschaden scheint der Politiker jedoch nicht genommen zu haben: Selbst in kernkatholischen Regionen seines Landes gereicht ihm offenbar die Zweitehe politisch nicht zum Nachteil. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil Wulff von Anfang an offen mit der Situation umging, Schlammschlachten mit seiner Ex-Frau vermied und stets das gute Verhältnis zu Tochter Annalena hervorhob.

Papst Benedikt XVI. empfing ihn, wie die meisten deutschen Ministerpräsidenten, im Oktober 2007 zu einer halbstündigen Audienz, die laut Wulff «in ausgesprochen freundlicher Atmosphäre» stattfand. Dabei ging es auch um den interreligiösen Dialog mit den Muslimen. Er liegt dem Ministerpräsidenten besonders am Herzen. Die Frage von islamischem Religionsunterricht an Regelschulen, die bereits seine SPD-Vorgänger angegangen waren, behielt Wulff im Blick. Entsprechende Versuche laufen. Zudem wird die Universität Osnabrück ab Herbst als erste deutsche Hochschule eine Fortbildung für Imame anbieten.

Politcoup im März
Im März landete Wulff mit einer Kabinettsumbildung einen Coup, der sein ernsthaftes Interesse an Integration zeigen sollte: Mit der Hamburger CDU-Politikerin Aygül Özkan holte er erstmals eine Person mit Migrationshintergrund an einen deutschen Kabinettstisch. Ein Schritt, den der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle, Vorsitzender der Migrationskommission der Bischofskonferenz, als «Glücksfall für die Integration» begrüßte.

Doch vor ihrer Vereidigung machte die Muslimin mit der Einschätzung, Kreuze gehörten nicht in Klassenzimmer, Wulffs Meisterstück fast zunichte. Eilends musste Özkan das Gesagte als persönliche Meinungsäußerung zurücknehmen. Und Wulff erklärte, die Landesregierung begrüße «christliche Symbole, insbesondere Kreuze in den Schulen... im Sinne einer toleranten Erziehung auf Grundlage christlicher Werte».

Im Mai 2008 betonte Wulff seine Erwartung an das Engagement der Christen in der Gesellschaft. Seine Hoffnung an den damaligen Osnabrücker Katholikentag: «Wir gestalten Zukunft in Gottvertrauen und Fröhlichkeit mit einem klaren Bild von friedlichem und gerechtem Zusammenleben.» Das könnte er im Falle seiner Wahl bei seiner Vereidigung fast wiederholen.