Familienbund wirft Bundesregierung Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien vor

"Sozial blind"

Nun ist es raus: Die Bundesregierung wird das Elterngeld kürzen - und nicht wie angekündigt ausbauen. "Absolut kontraproduktiv bei der Bekämpfung der Kinderarmut", kritisiert Elisabeth Bußmann-Haltern. Gegenüber domradio.de spricht die Präsidentin des Familienbundes der Katholiken von sozialer Blindheit.

 (DR)

Der Plan lasse "jedes soziale Augenmaß" vermissen. Eine Kürzung um 70 Euro von 300 auf 230 Euro treffe die unteren Einkommensgruppen wesentlich härter als die Kürzung von 1800 auf 1730 Euro.

Das Ziel einer verlässlichen Familienpolitik werde so über Bord geworfen, so Elisabeth Bußmann-Haltern am Dienstag (01.06.2010). "Das ist ein Rückfall in die strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien."

Auch andere Pläne sind vom Tisch
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder begründet die Kürzungen mit der Haushaltslage. Auch die geplante Verdopplung der Vätermonate von zwei auf vier sowie das Teilelterngeld für teilzeitarbeitende Eltern sind vom Tisch. Beide Vorhaben blieben aber auf der Agenda, sagte Schröder bei der Vorstellung des diesjährigen Familienreports.

Einen Zeitungsbericht, demzufolge das Elterngeld um 70 Euro monatlich gekürzt werden soll, bestätigte Schröder nicht. Sie sagte, sie wolle die Struktur des Elterngeldes als Lohnersatzleistung nicht antasten. Einzelheiten nannte sie nicht und verwies auf die bevorstehende Kabinetts-Klausur am Wochenende. Das Elterngeld macht Ausgaben von 4,5 Milliarden Euro im insgesamt 6,5 Milliarden Euro umfassenden Haushalt des Bundesfamilienministeriums aus und ist damit der größte Posten. Am Bundeshaushalt insgesamt hat der Familienetat aber nur einen Anteil von gut zwei Prozent.

Am Höchstbetrag von 1.800 Euro im Monat dürfe aber nicht gerüttelt werden, sagte Schröder. Dies würde die Akzeptanz der Vätermonate verringern und sei "hochgradig kontraproduktiv", erklärte sie. Dem "Familienreport 2010" zufolge nehmen besonders Männer in Führungspositionen das Elterngeld in Anspruch. Mehr als jeder Fünfte bezieht 1.500 bis 1.800 Euro Elterngeld. Bei den Müttern ist es nicht einmal jede Zehnte.

Eltern bekommen nach der Geburt eines Kindes bis zu 14 Monate Elterngeld, wenn auch der Partner, meistens der Vater, mindestens zwei Monate im Job aussetzt. Das Elterngeld beträgt 67 Prozent des letzten Nettogehalts, der Mindestbetrag sind 300 Euro im Monat, der Höchstbetrag 1.800 Euro.

Eltern haben zu wenig Zeit für ihre Kinder
Dem Familienreport zufolge, der aktuelle Statistiken und Befragungen zum Familienleben in Deutschland zusammenfasst und im vorigen Jahr zum ersten Mal veröffentlicht wurde, beklagen 40 Prozent der Väter und 30 Prozent der Mütter zu wenig Zeit für ihre Kinder zu haben. Väter in Vollzeitjobs würden im Durchschnitt ihre Arbeitszeit gern um 7,5 Wochenstunden reduzieren, Mütter in Teilzeitjobs würden gern zwei Stunden länger arbeiten gehen.

Schröder forderte die Unternehmen auf, flexiblere und familienfreundlichere Arbeitszeiten zu ermöglichen. Andernfalls würden sie schon bald nicht mehr genügend Fachkräfte finden. Aus dem Report ergibt sich weiter, dass die Frauen immer mehr zum Familieneinkommen beitragen. Im Westen Deutschlands sind inzwischen elf Prozent der Frauen die Hauptverdienerin im Haushalt, im Osten 15 Prozent. Vor knapp zehn Jahren waren es sieben beziehungsweise elf Prozent.

Die Kinderarmut ist unverändert hoch. Das Armutsrisiko liegt bei 18 Prozent. Besonders gefährdet sind Kinder in Einwandererhaushalten, mit mehreren Geschwistern und in Alleinerziehenden-Haushalten. Jedes sechste Kind wächst inzwischen bei nur einem Elternteil auf, die Zahl der Alleinerziehenden steigt weiter.

Die SPD-Fraktion erklärte, vor diesem Hintergrund sei die Lohn-Ungerechtigkeit zwischen Frauen und Männern nicht länger hinzunehmen. Immer mehr Frauen ernährten mit ihren Einkommen ihre Familien. Die FDP forderte eine stärkere Förderung der Alleinerziehenden. Die Grünen erklärten, die anhaltende hohe Armutsquote sei ein Skandal. Die Linksfraktion warf der Bundesregierung vor, den Kampf gegen die Kinderarmut aufgegeben zu haben.