Reaktionen auf den Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler

"Starker Anwalt der Menschen"

Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler bewegen sich die Reaktionen zwischen Staunen und Bestürzung. Die Katholische Kirche dankte dem 67-jährigen für seine Verdienste für Deutschland. "Misereor" und "Gemeinsam für Afrika" würdigten gegenüber domradio.de Köhlers Einsatz für eine gerechte Welt.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

Der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, zeigte sich gegenüber domradio.de überrascht. Köhler habe sich immer für das Staatswohl interessiert und authentische Politik gefordert. Insofern sei seine Entscheidung konsequent, falls er die Akzeptanz bestimmter Politiker nicht mehr gespürt habe. Allerdings könne er diesen Eindruck nicht bestätigen. "Er hat die Entscheidung für sich gefällt, er muss mit sich im Reinen sein." Jüsten ist seit Montag in der Türkei. Gemeinsam mit Politikern wie Unions-Fraktionschef Volker Kauder informiert er sich über die Lage der Christen in dem Land und die schwierige Situation des christlichen Klosters Mor Gabriel im Südosten des Landes.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, reagierte mit großem Bedauern. Köhler habe viel für Deutschland geleistet, sagte Zollitsch am Montag in Bonn. Er sei eine Persönlichkeit mit hohem Vorbildcharakter, allgemeiner Anerkennung in der Öffentlichkeit und einem besonderen Interesse für die christlichen Kirchen. "Persönlich empfinde ich seinen Rücktritt als herben Verlust", sagte Zollitsch.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, würdigte Köhler als  "starken und unabhängigen Anwalt der Menschen". Er sei ein bürgernaher Bundespräsident gewesen, der große Zustimmung in der Bevölkerung erfahren habe. Seine besondere Sorge galt darüber hinaus den Ärmsten der Armen in dieser Welt, besonders in Afrika.

Prälat Josef Sayer, Hauptgeschäftsführer des katholischen hilfswerks Misereor, würdigte Köhler gegenüber domradio.de als "herausragenden Gesprächspartner". Beim G8-Gipfel habe er in einem anderthalbstündigen gespräch mit Bischöfen aus Asien und Afrika auf "gleicher Ebene" und "sachkundig" Fragen von Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt diskutiert.

Auch "Gemeinsam für Afrika" zeigte sich bestürzt. "Wir sind entsetzt und erschrocken", so Sprecherin Susanne Anger gegenüber domradio.de. Köhler ist Schirmherr der Kampagne von 25 deutschen Hilfswerken und Non-Profit-Organisationen. Kein Bundespräsident habe sich in der Vergangenheit so "massiv, dauerhaft und mit großem Engagement" für die Sache Afrikas eingesetzt. Köhler habe über viel "Know-how" und "großen Weitblick" verfügt. Man habe ihn nicht nur deshalb über alle Maßen wertgeschätzt. Erst Ende vergangener Woche habe der neunte Bundespräsident in der Geschichte der Bundesrepublik die aktuelle Aktion "Wir bleiben am Ball" zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika eröffnet. "Einer seiner letzten öffentlichen Auftritte", so Anger am Montag (31.05.2010).

Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, sagte, die politische Verantwortung für das Wohl aller Menschen habe Köhler aus seinem christlichen Glauben heraus wahrgenommen. "Er ist damit im besten Sinne ein öffentlicher Protestant gewesen. Gleichzeitig forderte Schneider eine gesellschaftliche Debatte, in der es um die Balance zwischen dem notwendigen Respekt vor dem höchsten Amt des Staates und der an Sachfragen orientierten Kritik gehen müsse. Köhler habe sich um Deutschland und um das an Nächstenliebe und Gerechtigkeit orientierte Zusammenleben der Völker verdient gemacht.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bedauerte den Rücktritt. "Horst Köhler war ein Bundespräsident, der während seiner gesamten Amtszeit das erste Amt im Staate mit großer Ernsthaftigkeit und Würde ausgefüllt hat", so der CSU-Chef. Köhler habe sich die Sympathien der Bürger in Deutschland und hohe Anerkennung im Ausland erworben. Seehofer fügte hinzu: "Ich nehme seine Rücktrittsentscheidung mit Bedauern und die Begründung seiner Entscheidung mit großem Respekt zur Kenntnis."