Der Autor Franz Alt fordert nach Ölkatastrophe Energiewende

"Was muss eigentlich noch passieren?"

Seit dem Untergang der Ölbohrinsel Deepwater Horizon fließen jeden Tag Hunderttausende Liter Öl in den Golf von Mexiko. Mit dem Energiekonzern BP ist der Schuldige der Umweltkatastrophe längst ausgemacht. In der Verantwortung sieht Franz Alt jetzt allerdings vor allem die Politik. Gegenüber domradio.de fordert der katholische Journalist und Autor ein Verbot von Tiefenbohrungen im Meer und ein Ende des Einflusses der Energie-Wirtschaft.

 (DR)

domrado.de: Sie haben sich ja in der Vergangenheit immer wieder öffentlich für erneuerbare Energien eingesetzt. Jetzt hat die Explosion einer Ölbohrinsel eine Umweltkatastrophe in den USA ausgelöst. Sie müssten sich in ihren Forderungen nun bestätigt sehen…
Alt: Das ist wirklich eine riesige Katastrophe, die wir dort erleben. Und das Eigenartige ist: Es wäre nicht notwendig. Wir brauchen kein Öl, wir brauchen kein Atom, wir brauchen keine Kohle. Wir haben schon lange Alternativen, wir wissen seit Jahrzehnten, dass wir rasch den hundertprozentigen Umstieg auf Erneuerbare Energie organisieren müssen. Und trotzdem verbrennen wir heute noch an jedem Tag so viel Kohle, Gas und Öl, wie die Natur in einer Million Tagen angesammelt hat. Das ist das größte Verbrechen - auch ohne diesen Unfall. Einfach der Einsatz von Kohle, Gas und Öl ist das größte Verbrechen, das die Menschheit je an künftigen Generationen begangen hat. Dabei haben wir alle Alternativen der Welt, es intelligenter und anders zu machen.

domrado.de: Es ist ja eine Katastrophe von noch unabschätzbarem Ausmaß. Vor allem auch, da immer noch nicht klar ist, wann und ob das Leck geschlossen werden kann. Trotzdem ist Panik auch in den Medien noch nicht zu spüren. Verwundert sie das?
Alt: Die aktuellen Finanzkatastrophen treiben uns immer mehr um, als die eigentlichen Katastrophen. Die Finanzkrise ist eine Krise von zwei, drei Jahren. Die Energiekrise ist die Überlebensfrage der Menschheit, eine Jahrtausendkatastrophe. Wir Journalisten sind nur auf das Aktuelle fixiert. Wir sind gegenwartsversessen und zukunftsvergessen. Das ist eines unserer Hauptprobleme. Deshalb werden die entscheidenden Fragen immer hinten angestellt und nicht so behandelt, wie sie eigentlich behandelt werden sollten.

domrado.de: Es wurden jetzt ja unter anderem in der Zeitung "Washington Post" Vorwürfe gegen den Ölkonzern erhoben. BP soll bewusst ein minderwertiges Ventil verbaut haben. Dann doktert BP noch im Alleingang am Leck herum? Kann sich Verantwortungsgefühl gegen Profit beim Thema Energie grundsätzlich nicht durchsetzen?
Alt: Die Frage nach der Verantwortung erfordert eine tiefere Antwort. Nämlich: Dürfen wir im Meer überhaupt bohren, dürfen wir Off-Shore-Öl überhaupt bohren? Das müsste verboten werden! Wir haben mal angefangen damit, nach dem Zweiten Weltkrieg in fünf Metern Tiefe zu bohren. Die Ölbohrinsel im Golf von Mexiko liegt in 1.500 Metern Tiefe. Demnächst sollen es 4.000 Meter sein. Wir sind überhaupt nicht vorbereitet, die entsprechenden Unfälle auch wieder in den Griff zu bekommen, das sehr wir gerade jeden Tag. Die einzige Konsequenz, die politisch gezogen werden muss, heißt: Tiefenbohrungen im Meer müssen grundsätzlich verboten werden. Und wir müssen die Alternativen, die wir schon haben, stärken. Das wäre verantwortliche Politik. Alles andere ist nicht mehr zu verantworten.

domrado.de: Seit Wochen strömt das Öl aus der Quelle und erst jetzt wird der Ton aus Washington schärfer. Dieser Vorfall in den USA hat mal wieder gezeigt, wie eng Politik und Energie-Lobby miteinander verwoben sind. Sehen Sie einen Ausweg, oder ist der Kampf gegen Energieriesen ein Kampf gegen Windmühlen?
Alt: Energie-Lobby und Politik sind mehr miteinander verwoben als alles andere. Das gilt für Deutschland, Europa und die USA. Unter George W. Bush war es ganz klar, dass die Erdöl-Lobby und die Kohle-Lobby alles bestimmen. Der Krieg im Irak war ein Krieg um Öl - um nichts sonst. Wenn im Irak nur Bananen wachsen würden, wäre dort kein einziger amerikanischer Soldat. Und jetzt die Ölkatastrophe! Was muss eigentlich noch passieren, bis wir politisch diese Verflechtung entflechten. Auch in Deutschland ist das so. Das ganze Koalitionstheater in NRW hängt mit der Energie-Wirtschaft zusammen. Die Energie-Wirtschaft hat verhindert, dass wir eine Rot-Rot-Grüne Regierung bekommen haben. Die Energie-Wirtschaft wird verhindern, dass wir eine Schwarz-Grüne Koalition bekommen. Diesen Zusammenhang müssen wir Journalisten endlich thematisieren, dann geht es ans Eingemachte. Die Energie-Wirtschaft ist eine Mafia, in den USA und Deutschland, ein Staat  im Staat! Das ist das eigentliche Problem. Und sie wird nicht demokratisch kontrolliert und im Zaum gehalten.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.