Berliner Gemeindevorsitzende ruft Zentralrat zu klarer Position im Nahostkonflikt auf

"Auch wir haben Antisemiten"

Die Vorsitzende der Berliner Jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind, hat sich in scharfer Form von jüdischen Kritikern des Staates Israel distanziert. Zumindest teilweise seien das Antisemiten, mit denen sie jede öffentliche Diskussion ablehne, erklärte sie am Dienstag.

 (DR)

Ebenso wenig würde sie den Vorsitzenden der NPD zum Gespräch einladen, fügte das Präsidiumsmitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland hinzu. «Ich möchte keine Kopiermaschine für deren Gedankengut sein.» Den jüdischen Dachverband rief sie auf, sich im Nahostkonflikt deutlicher zu positionieren.

Antizionisten und Israelfeinde hätten leider schon genügend Gelegenheit, sich in der deutschen Presse zu artikulieren, erklärte die Chefin der mit 11.000 Mitgliedern größten jüdischen Gemeinde in Deutschland. «Es ist schon immer so gewesen, dass wir mit Antisemitismus zu kämpfen hatten, und jetzt eben auch aus den eigenen Reihen.»

Vor zwei Wochen hatte eine Veranstaltung der Berliner Jüdischen Gemeinde zu einem Eklat geführt. Anlass für eine Diskussionsrunde mit mehreren Chefredakteuren war ein israelkritischer Kommentar der gebürtigen Israelin Iris Hefets in der «tageszeitung» (taz) Anfang März. Mitglieder der Initiative «Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost» hatten lautstark verlangt, die Autorin zu Beginn der Veranstaltung zu Wort kommen zu lassen. Süsskind hatte dies aber abgelehnt. In ihrem Artikel hatte Hefets unter anderem gegen die Ritualisierung des Holocaust-Gedenkens in Israel als «Evangelium nach Auschwitz» polemisiert.

"Es gibt eben Denkweisen, die mir so fremd sind, da kann es kein befruchtendes Gespräch geben», begründete Süsskind ihre Position. «Diese Menschen kann ich in keiner Weise überzeugen und sie mich auch nicht.» Auch sähe das nach einem Versöhnungsgespräch aus. Mit Antizionisten und Israelfeinden wolle sie sich aber nicht verbrüdern. «Sie sind für mich zumindest teilweise jüdische Antisemiten.» Zu ihnen zähle möglicherweise auch das langjährige Direktoriumsmitglied des Zentralrates, Rolf Verleger, der sein Amt 2009 wegen israelkritischer Äußerungen aufgeben musste.

Nach Meinung der Vorsitzenden bewegt sich auch die Nahost-Berichterstattung vieler deutscher Medien «haarscharf am Antisemitismus vorbei», wenn etwa Vergleiche zwischen dem Vorgehen Israels und dem NS-Regime gezogen würden. «Ich halte es für ziemlich beängstigend, welche 'Freiheit in der Kritik' sich hier breitmacht», sagte Süsskind.

Verglichen mit anderen Krisenregionen tauche Israel in der Berichterstattung auch viel häufiger auf. «Je mehr Israel etwas tut, was einem nicht ganz angenehm ist, auch uns als Juden in Deutschland nicht, desto mehr fühlt man sich offenbar als nichtjüdischer Deutscher befreit», sagte Süsskind. «Da stimmt irgendetwas mit dem Journalismus nicht.»

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland kritisierte Süsskind für ihre politische Abstinenz. «Ich empfinde das selber als ein Manko.» Vor lauter Bemühungen um die Integration ihrer zumeist aus Russland eingewanderten Mitglieder seien sie zu apolitisch. Es gebe ja nicht nur die Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch, sondern auch ihre Stellvertreter. «Ich fände es gut, wenn sie sich verstärkt zu politischen Fragen zu Wort meldeten.»