NS-Gedenkstätte in Berlin eröffnet

Topografie des Terrors

65 Jahre nach Kriegsende ist in Berlin auf dem ehemaligen Gelände des SS-Hauptquartiers und der Gestapo-Zentrale ein Dokumentationszentrum eröffnet worden. Beim Festakt erklärte Bundespräsident Horst Köhler, kein anderer Ort sei enger mit den Verbrechen der Nationalsozialisten verbunden.

 (DR)

Seit 1987 befand sich auf dem 4,5 Hektar großen Gelände zwischen Martin-Gropius-Bau und Wilhelmstraße eine Open-Air-Ausstellung, die jährlich von bis zu 500.000 Menschen besucht wurden. Diese Ausstellung ist nunmehr in erweiterter Form im neuen Gebäude zu sehen. Der Bau sowie die Gestaltung der Außenanlagen kosteten Bund und Land rund 26 Millionen Euro.

Köhler würdigte in seiner Ansprache das zivilgesellschaftliche Engagement, das in den 80er Jahren zu der Gedenkstätte geführt hat. Der jetzt fertiggestellte Neubau zeuge davon, "welch langen Weg wir Deutschen in den Jahrzehnten seit 1945 im Umgang mit der Vergangenheit zurückgelegt haben". Heute gebe es "eine selbstverständlich erscheinende Bereitschaft, die Verbrechen der nationalsozialistischen Zeit aufzuklären und zu sühnen", betonte er.

Fundament des "Selbstverständnisses als Nation"
Mit Blick auf die abnehmende Zahl von Zeitzeugen unterstrich der Bundespräsident die Bedeutung historischer Orte wie die "Topographie des Terrors". "Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gehört zum Fundament unseres Selbstverständnisses als Nation", sagte Köhler.

Die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, bezeichnete die neu konzipierte Dauerausstellung mit Blick auf die überlebenden Zeitzeugen als wichtige und lange vermisste Geste. Durch die endlich abgeschlossene Gestaltung des ehemaligen Prinz-Albrecht-Geländes sei aus einem authentischen Ort der Judenvernichtung ein Lern- und Gedenkort geworden.

Knobloch betonte, wie die Hinwendung zum Schicksal der Opfer sei auch eine intensive Beschäftigung mit den Tätern unerlässlich. Die Vollstrecker des Massenmordes seien zu häufig und zu offensichtlich geschont worden. An den früher an dieser Stelle befindlichen Schreibtischen sei die Ermordung von Millionen Juden und Menschen anderer Opfergruppen ersonnen worden.

Auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) nannte es eine Aufgabe aller, die Erinnerung an die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten weiter zu tragen sowie "Verantwortung zu übernehmen, Kausalitäten zu benennen und Schuld einzugestehen". Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) würdigte das Dokumentationszentrum als wesentlichen Bestandteil der "aktiven Erinnerungsarbeit". Entstanden sei ein Gebäude und eine Anlage, die sich bewusst zurücknähmen und sich dem historischen Ort unterordneten.

14 feste Mitarbeiter
Der zweistöckige, quadratische Flachbau mit einer Nutzfläche von rund 3.500 Quadratmetern wurde nach Plänen der Berliner Architektin Ursula Wilms errichtet. Neben der ständigen Ausstellung mit einer Stellfläche von 800 Quadratmetern befinden sich in dem Gebäude Platz für Wechselausstellungen, eine Bibliothek, Veranstaltungsräume sowie Arbeitsplätze für die 14 festen Mitarbeiter der Stiftung.

Von den Dienstgebäuden der Gestapo und der SS in der damaligen Prinz-Albrecht-Straße (heute: Niederkirchnerstraße) ist bis auf wenige Fundamente nichts mehr übrig geblieben. Hier wurde über die Verfolgung der politischen Gegner, die "Germanisierung" eroberter Gebiete, die Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener und den Völkermord an Europas Juden entschieden.

Nicht mehr viel im Original übrig
Auf dem heute weitgehend unbebauten Gelände der Topographie zeugen lediglich einige freigelegte Kellerreste und Fundamente des Gestapo-Hausgefängnisses von der NS-Vergangenheit. Künftig soll eine weitere Open-Air-Ausstellung zu sehen sein.

Ursprünglich sollte das Dokumentationszentrum nach Plänen des Schweizer Stararchitekten Peter Zumthor für knapp 39 Millionen Euro errichtet werden. Nach jahrelangen Bauverzögerungen, die rund 15 Millionen Euro verschlangen, beschlossen Bundesregierung und Berliner Senat 2004 einen völligen Neustart des Projekts.