Schwangere Gefangene in NRW-Gefängnissen angeblich unwürdig behandelt

Unhaltbare Zustände?

Schwangere Frauen werden nach Vorwürfen einer Gruppen von Ärzten, Hebammen und Psychologen in nordrhein-westfälischen Gefängnissen teilweise menschenunwürdig behandelt. Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter droht ein erneuter Skandal kurz vor der NRW-Wahl.

 (DR)

Müller-Piepenkötter (CDU) hat die Berichte über menschenunwürdige Behandlungen Schwangerer im Strafvollzug zurückgewiesen. Sie bezeichnete am Mittwoch in Düsseldorf Vorwürfe als falsch, in Nordrhein-Westfalen müssten schwangere Gefangene gefesselt entbinden. «Es hat nach mir vorliegenden Berichten keine einzige Entbindung gegeben, bei der die Gefangene gefesselt gewesen ist.»

Auch seien bei frauenärztlichen Untersuchungen keine männlichen Bediensteten der Haftanstalten anwesend, so die Ministerin. Nur auf dem Weg zum Arzt oder in ein Krankenhaus würden Gefangene «in der Regel an der Hand» gefesselt, wenn Fluchtgefahr bestehe. Auch würden Mütter nur in wenigen Fällen, etwa bei Drogenabhängigkeit, von ihren Neugeborenen getrennt.

Die Ministerin reagierte damit auf Zeitungsberichte vom Mittwoch. Darin wirft eine Gruppe von Ärzten, Psychologen, Hebammen und Hilfseinrichtungen der Landesregierung vor, menschenunwürdige Haftbedingungen für schwangere Frauen zu dulden. Gefangene hätten Termine beim Frauenarzt im Beisein männlicher Beamter erdulden müssen. Zudem habe es Geburten in Fesseln gegeben. Mehrfach seien Mütter nach der Geburt von ihren Kindern getennt worden.

Die Leiterin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Köln, Monika Kleine, sagte gegenüber WDR.de, der SkF habe sich wegen der Fälle bereits Ende Februar an Landtagsabgeordnete gewandt. Müller-Piepenkötter hatte nach Angaben ihrer Partei daraufhin im März eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um Hilfen für Schwangere vor der Entbindung und andere Sondersituationen für weibliche Gefangene im Strafvollzug zu erarbeiten.

Oft ende die Haftzeit von schwangeren Frauen vor der Niederkunft, erläuterte Müller-Piepenkötter. Vielfach könne auch die Haftzeit für die Zeit nach der Geburt verkürzt oder unterbrochen werden. In Fällen, in denen dies nicht möglich sei, würden die Betroffenen in der Regel in die Mutter-Kind-Abteilung im offenen Vollzug des Justizvollzugskrankenhauses Fröndenberg verlegt.

SPD und Grüne forderten am Mittwoch die Landesregierung zur Aufklärung auf. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Frank Sichau, sagte: «Träfen die Berichte zu, wäre es eine die Menschenwürde tief verletzende Praxis in den nordrhein-westfälischen Gefängnissen.» Die Ministerin wisse seit Wochen von dem Verdacht, dass die Frauen gefesselt seien, wenn sie ihre Kinder zur Welt bringen. Sie habe «wieder einmal nur eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um gegebenenfalls am Sankt-Nimmerleins-Tag zu reagieren».

Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der NRW-Grünen, Barbara Steffens, warf Müller-Piepenkötter Verschleppung vor. Die Arbeitsgruppe habe sich bisher nicht mit den Vorwürfen befasst und wolle erst nach der Landtagswahl über das Thema reden.