Runder Tisch Missbrauch nimmt Arbeit auf - Hintergrund, Chronologie, Teilnehmer und Interviews

"Verantwortung verjährt nicht"

In Berlin ist am Freitagvormittag der Runde Tisch zum Kindesmissbrauch zu seiner ersten Sitzung zusammengekommen. Auf domradio.de: Ein Hintergrundbericht und Interviews mit Bundesministerin Kristina Schröder, Canisius-Rektor Pater Klaus Mertes und der unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung Christine Bergmann.

 (DR)

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sagte unmittelbar vor dem Treffen, Verantwortung verjähre nicht, auch wenn die Taten verjährt seien. Sie wünsche sich, dass der Runde Tisch Defizite klar benenne.

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) betonte, es sei richtig, zahlreiche Vertreter aus den Institutionen in das Gremium geholt zu haben. Kirchen, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen befassten sich intensiv mit dem Thema. Oberstes Ziel müsse sein, den Opfern gerecht zu werden, sagte Schavan.

Entschädigungen?
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach von einer "sehr großen Aufgabe". Aus der Aufarbeitung der Fälle aus den letzten Jahrzehnten müsse man rechtspolitische Konsequenzen ziehen, sagte sie. Aufarbeitung und Prävention seien die beiden Säulen des Runden Tisches.

Zudem forderte Leutheusser-Schnarrenberger finanzielle Unterstützung für Opfer sexuellen Missbrauchs. Viele Opfer rechneten gar nicht mit finanzieller Entschädigung, wollten jedoch «irgendeine Form von Anerkennung für Leiden, die ihnen in der Vergangenheit zugefügt wurden».

Als weitere zu diskutierende Themen des Runden Tisches nannte die Ministerin längere Verjährungsfristen im Strafrecht sowie die ausdrückliche Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Mit Blick auf das Rücktrittsangebot des Augsburger Bischofs Walter Mixa sagte die FDP-Politikerin: «Es ist nichts mehr so, wie es noch vor einem halben Jahr war, auch nicht in der katholischen Kirche.»

Jaschke: Fonds für unkomplizierte Hilfe
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke schloss finanzielle Entschädigungen durch die katholische Kirche nicht aus. Jaschke sagte am Donnerstagabend im ZDF, die Kirche müsse überlegen, ob sie «einen Fonds für unkomplizierte Hilfe» möglich machen könne. Er betonte in der Sendung «Maybrit Illner spezial», dass die katholische Kirche selbst den Anstoß zur Aufklärung der Vorfälle gegeben habe. Das Berliner Canisius-Kolleg habe den Stein ins Rollen gebracht. Zudem bemühe sich die Kirche bereits seit 2001 verstärkt um Aufklärung, «auch angestoßen vom Vatikan». In früheren Jahren hätten die Opfer allerdings «viel zu wenig Beachtung» gefunden. Nun müssten sie sprechen können und gehört werden.

Der ehemalige Sonderermittler im Kloster Ettal, Thomas Pfister, sprach dagegen von fehlenden Selbstreinigungskräften in kirchlichen Einrichtungen. Ohne die Ermittlungen und den Druck der Öffentlichkeit wären die Misshandlungen in Ettal nicht «ans Tageslicht gekommen». Pfister vertritt nach eigenen Angaben rund 200 Opfer. Er erklärte, dass Entschuldigungen, Gespräche und Gebete für eine Wiedergutmachung «nicht ausreichend» seien. Vielmehr müsse das Kloster «an den Taten» gemessen werden.

Zwei Arbeitsgruppen
Der Runde Tisch will zwei Arbeitsgruppen einrichten. Eine soll sich mit Fragen der Prävention und Intervention befassen, die andere mit der Aufarbeitung der Fälle, Hilfen für die Opfer, rechtspolitischen Konsequenzen und der Entschädigungsfrage. Bis Ende des Jahres soll ein Zwischenbericht vorliegen. Geleitet wird der Runde Tisch von den drei Ministerinnen.

Dem Gremium gehören 61 Mitglieder an, darunter politische Repräsentanten aus Bund und Ländern, Juristen, Mediziner sowie Vertreter der Kirchen, von Schulen, Familienverbänden und aus der Opferberatung. Das Bundeskabinett hatte die Einsetzung des Runden Tisches Ende März beschlossen und zugleich die frühere Bundesministerin Bergmann als Missbrauchsbeauftragte berufen.

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