Polens Primas trauert um Kaczynski

"Er war ein echter Christ"

Acht Tage nach dem Unglück von Smolensk wurde Polens Staatspräsident Lech Kaczynski beigesetzt. "Er war ein echter Christ", sagt Henryk Muszynski. Gegenüber domradio.de spricht der Gnesener Erzbischof und Primas der katholischen Kirche über den Streit um die Beisetzung in der Kathedrale des Krakauer Königsschlosses Wawel, die Tragödie und seine Hoffnung.

Erzbischof Muszynski (KNA)
Erzbischof Muszynski / ( KNA )

domradio.de: Wie beurteilen Sie die Stimmung in Polen, wie das Verhältnis von Trauer und Wut?
Muszynski: Die Trauer ist diesmal wirklich echt. Man sieht das auch in den Straßen und an den Leuten: sie trauern. Im Moment gibt es einen Streit darüber, wo der Präsident beigesetzt werden soll, aber der ist nicht so groß. Viele sagen: "Ich habe eine andere Meinung, ich war ein politischer Gegner, aber in dieser Hinsicht sollte man Ruhe bewahren." Und natürlich gibt auch einen kleinen Kreis von Protestanten. Aber im Großen und Ganzen ist es eine echte Trauer.

domradio.de: Noch einmal nachgefragt: Warum die Beisetzung in der Kathedrale des Krakauer Königsschlosses Wawel, wo sonst nur Könige liegen?
Muszynski: Nicht ausschließlich Könige, hier liegen  die Nationalhelden. Im Streit geht es deshalb jetzt darum, inwieweit man es mit Kaczynski mit einem Nationalhelden zu tun hat. Und dabei sollte man bedenken, dass er im Dienst war.
Man versucht jetzt einen Kompromiss finden und will die Namen aller Opfer auflisten. Eine Gruft  für die Trauer, eine Tragödie mit einem Ausmaß, mit dem wir in Polen noch nie zu tun hatten.

domradio.de: Wie stand die Kirche zu Kaczynski?
Muszynski: Er war ein echter Christ. Über seine Art und Weise kann man diskutieren. Aber es gibt keinen Zweifel daran, dass er versucht hat, sein Bestes zu tun. Erst vor einem Monat war er in Gnesen. Wir hatten ein europäisches Treffen mit vielen Deutschen. Das Thema war: Familie - Hoffnung für Europa. Und da ist der Präsident gekommen und hat Familie so definiert: "Familie ist für mich ein Mann und eine Frau, ein Bündnis für das ganze Leben." Dabei hat er auch gesagt: "Es gibt Leute von einer anderen Orientierung, die wird es immer geben, aber es gibt nur eine Familie." Es gibt ganz wenige Politiker, die eine so eindeutige Definition der Familie machen würden. Ein anderes Mal ist er zur Kathedrale gekommen und hat 15 Minuten für seine kranke Mutter gebetet. Die Mutter lebt heute noch.
Man sollte alles mehr menschlich sehen. Politisch gibt es immer Streit. Es gibt Anhänger, es gibt Gegner. Aber man sollte hier die Politik mit einer gewissen Distanz beurteilen. Was aber den Stellenwert des Glaubens für ihn bedeutet - darüber gibt es keinen Zweifel.

domradio.de: Mit welchen Gefühlen blicken sie in die Zukunft Polens?
Muszynski: Ich versuche mit christlichen Motiven zu beurteilen. Und die Christen sind Menschen der Hoffnung. Es gibt gute neue Anzeichen: Zum ersten Mal gibt es auf Seiten der Russen echte Trauer, sowohl von Staatsleuten als auch von den einfachen Leuten. Das sind Anzeichen des Guten, erste Schritte der Versöhnung.

Das gespräch führte Pia Deuß.