Woche für das Leben beginnt

Gerecht gesund

Die beiden großen Kirchen haben am Samstag in Frankfurt die "Woche für das Leben" eröffnet. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hob in seiner Predigt im Bartholomäusdom die Bedeutung des Solidaritätsprinzips hervor.

 (DR)

Die Debatte um eine Reform des Gesundheitswesens ist voll im Gange. Im Kern geht es um die Frage, ob auf Dauer ein jeder unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen die medizinische Versorgung bekommen kann, die für ihn notwendig ist. Als ausgemacht gilt das angesichts des Kostendrucks im Gesundheitsbereich nicht.

Die beiden großen Kirchen stellen denn auch mit ihrer diesjährigen bundesweiten «Woche für das Leben» die Frage nach einer gerechten Verteilung der Ressourcen im Gesundheitssektor. Das Leitwort lautet «Gesunde Verhältnisse»; den Auftakt zu der bislang 20. «Woche für das Leben» machte am Samstag ein ökumenischer Gottesdienst im Frankfurter Kaiserdom.

Die Kirchen sprechen von der Herausforderung, das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem unter wachsendem Kostendruck zu erhalten, um auch in Zukunft Risiken abzudecken, welche die Möglichkeiten des Einzelnen überschritten. Sie weisen darauf hin, dass die evangelische Diakonie und die katholische Caritas als kirchliche Träger bedeutende Akteure im Gesundheitswesen seien. Auch deshalb könne man sich der Frage nach der Spannung zwischen dem Anspruch eines christlichen Menschenbildes und dem faktisch vorhandenen Kostendruck im Gesundheitswesen nicht entziehen. Zudem heben die Kirchen hervor, Gesundheit lasse sich nicht gänzlich ökonomisch kalkulieren. Zwar ließen sich die Pflege und professionelle Begleitung Demenzkranker, Sterbender und die von geistig behinderten Menschen berechnen; Zuwendung, Respekt und Gemeinschaft aber gingen in solchen Kostenrechnungen nicht auf.

Bei der Frankfurter Eröffnung der jetzigen «Woche für das Leben» rief der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, dazu auf, die solidarische Krankenversicherung zukunftsfähig zu machen. Es gelte, offen und ehrlich über die verschiedenen Reformvorschläge zu diskutieren und tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Zugleich mahnte Zollitsch «die eigene Vorsorge und das Bemühen, der Gemeinschaft nicht ohne Not zur Last zu fallen», an. Ansonsten, so der Freiburger Erzbischof, laufe Solidarität Gefahr, ausgebeutet zu werden.

Der dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehörende badische Landesbischof Ulrich Fischer wies in Frankfurt darauf hin, dass es in Sachen Gesundheitswesen nicht nur um finanzielle, sondern um grundlegende ethische Fragen gehe, «um die Würde derer, die wir leicht aus dem Blick verlieren». Wenn man über «gesunde Verhältnisse» spreche, stelle sich auch die Frage, «wie wir Nachbarschaften, Schulen und Betriebe organisieren, und wie wir zusammenleben», sagte Fischer. Er sprach von Programmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflegearbeit, von der Integration von Schülern in Regelschulen, von einer Lern- und Arbeitskultur, die trotz aller Leistungs- und Mobilitätsanforderungen menschengerecht bleibe. Und Zollitsch äußerte: «Wenn wir zum Beispiel wissen, dass Kinder aus armen Familien weniger gesund leben als ihre sozial besser gestellten Schulkameraden, und wir gleichzeitig wissen, dass ein höherer Bildungsstand in aller Regel zu einem höheren Einkommen führt, dann stehen wir in dem breiten Sektor der Gesundheitsversorgung vor weitaus umfangreicheren als nur monetären Aufgaben.»

Mit ihrer jährlichen «Woche für das Leben» wollen die Kirchen die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit menschlichen Lebens in all seinen Phasen deutlich machen. Zum jetzigen 20-Jahr-Jubiläum der Aktion gab es in Frankfurt eine Ausstellung. Die erste «Woche für das Leben», 1991 durchgeführt, stand unter der Überschrift «Schutz des ungeborenen Lebens». Nachfolgende hatten Leitworte wie zum Beispiel «Sinn satt Sucht», «Menschenwürdig pflegen», «Mit Kindern - ein neuer Aufbruch» und «Die Würde des Menschen am Ende seines Lebens». Begründet wurde die «Woche für das Leben» von der Deutschen Bischofskonferenz und vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). 1994 schloss sich der Rat der EKD an.

Initiator war seinerzeit der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann. Die «Woche für das Leben», sagt er heute, sei «insgesamt durchaus eine Erfolgsgeschichte». Mit Blick auf die Zukunft der Woche ist sich Lehmann sicher: «Die Themen werden uns in den nächsten Jahren bestimmt nicht ausgehen.»