Erzbischof Zollitsch trifft Justizministerin zum klärenden Gespräch

Zurück zum eigentlichen Anliegen

Es war eine dramatische Krise im Verhältnis von Staat und Kirche: Eine Bundesjustizministerin stellt die Rechtstreue der Bischöfe in Frage, diese fordern ultimativ die Zurücknahme der Vorwürfe. Heute wollen sich Erzbischof Zollitsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zum klärenden Gespräch treffen.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Der Grund des Streits: der Umgang der Kirche mit Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch. Knapp zwei Monate nach diesem Schlagabtausch wollen sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, am Donnerstag in Berlin zu einem klärenden Gespräch treffen.

Wogen der Erregung
Die Wogen der Erregung haben sich inzwischen etwas gelegt. Nach mehreren Zeichen der Entspannung dürfte das Treffen im Bundesjustizministerium zumindest die Rückkehr zu einem sachlichen Dialog besiegeln und nach vorne weisen. Denn schon in einer Woche steht das erste Treffen des offiziellen Runden Tischs zum Thema «Sexueller Missbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich» an. Das Gremium tritt auf Einladung der Bundesministerinnen für Familie, Bildung und Justiz erstmals am 23. April zusammen.

Die Bischofskonferenz hatte nicht zuletzt deshalb so heftig auf die Justizministerin reagiert, weil sie sich wegen der vielen, meist weit zurückliegenden Missbrauchsfälle, die in jüngster Zeit bekannt geworden waren, in einer heiklen Lage befand. Auf ihrer Frühjahrsvollversammlung entschuldigten sich die Bischöfe öffentlich bei den Opfern, gestanden Versäumnisse ein und beschlossen, die Richtlinien gegen den Kindesmissbrauch von 2002 zu überarbeiten. So trafen die Vorhaltungen der Ministerin via «Tagesthemen»-Interview die Oberhirten während ihrer Vollversammlung wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Der Pauschalvorwurf von höchster staatlicher Stelle sorgte für helle Empörung.

Missverständnisse und mangelnde Information
Er beruhte allerdings wohl auch auf Missverständnissen und mangelnder Information. Leutheusser-Schnarrenberger sprach von einer «Mauer des Schweigens» und meinte offenbar die von Papst Johannes Paul II. 2001 erlassenen Richtlinien über «besonders schwere Straftaten». Derartige Vergehen, zu denen auch der sexuelle Missbrauch durch Kleriker gehört, müssen laut Richtlinien unmittelbar der Glaubenskongregation gemeldet werden und stehen unter «secretum pontificum», also höchster Schweigepflicht.

Was in weltlichen Juristenkreisen nicht klar war: Diese Geheimhaltung betrifft allein mögliche kirchenrechtliche Disziplinar-Verfahren und Strafen und soll die Täter keineswegs vor dem parallelen Zugriff staatlicher Justiz schützen. Erst an diesem Montag hat der Vatikan nochmals unmissverständlich erklärt: «Staatliches Recht, das die Anzeige von Verbrechen bei den zuständigen Behörden betrifft, soll immer befolgt werden.»

Bayern als Vorbild?
Die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz von 2002 legen fest, dass «in erwiesenen Fällen» die Staatsanwaltschaft informiert werden soll. Die bayerischen Bischöfe wollen künftig schon beim Verdacht die Staatsanwaltschaft einschalten. Eine Forderung, die Leutheusser-Schnarrenberger begrüßt und für alle Diözesen in Deutschland einfordert.

Für Unmut sorgte schließlich das Beharren der Justizministerin auf einem eigenen Runden Tisch allein für die Kirche. Die Bischöfe fühlten sich an den Pranger gestellt und verwiesen darauf, dass Kindesmissbrauch die ganze Gesellschaft betreffe. Laut Kriminalstatistik werden in Deutschland pro Jahr rund 15.000 Fälle der Staatsanwaltschaft angezeigt, die meisten davon geschehen in Familien. Zudem wurden inzwischen auch zahlreiche Missbrauchsskandale an nichtkirchlichen Einrichtungen wie der Odenwaldschule publik.

Entschädigungen und Verjährungsfristen
Beim Gespräch im Justizministerium könnten ferner die Frage einer möglichen Wiedergutmachung zur Sprache kommen sowie eine Verlängerung von Verjährungsfristen. Im Kern geht es aber darum, jenseits aller Verstimmungen das eigentliche Anliegen wieder in den Mittelpunkt zu rücken, dem sich beiden Seiten verpflichtet wissen: Vergangene Fälle von sexuellem Missbrauch aufzuarbeiten und künftige zu verhindern.