Ehemalige Heimkinder demonstrieren in Berlin

Entschuldigungen und Entschädigungen

Frühere Heimkinder haben in Berlin gegen gewalttätige Erziehungspraktiken und sexuellen Missbrauch demonstriert. Der Verein ehemaliger Heimkinder verlangt Entschädigungen. Dem Runden Tisch Heimerziehung, der am Nachmittag zusammenkam, wird "Verharmlosung" vorgelaufen.

 (DR)

Sie verlangte von Politik und Kirchen, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle an Eliteschulen mit der Heimkinder-Problematik zu verbinden. Den Kirchen warf sie vor, sie versuchten, Entschädigungszahlungen zu umgehen.

Rechtliche Grundlage für eine Entschädigung fehlt
Demgegenüber sagte der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, im Inforadio des RBB, die Kirchen würden sich dem Gespräch über eine Entschädigungslösung "nicht entziehen". Das Problem sei allerdings eine fehlende rechtliche Grundlage für eine Entschädigung der Opfer. Schneider sprach von einem "sehr bedrückenden Kapitel". Die Kirche habe die Pflicht, das Leid anzuerkennen und stelle therapeutische Hilfe zur Verfügung.

An dem Protestzug zum Brandenburger Tor beteiligten sich etwa 150 Menschen. Mit einer drei Meter hohen "Prügel-Nonne" mit Rohrstock und Kruzifix machten sie auf die Gewalt in kirchlichen Heimen aufmerksam. Einzelne Heimkinder schilderten auf Plakaten, was ihnen angetan worden war. Sie fordern die Anerkennung des ihnen zugefügten Leids als Menschenrechtsverletzungen sowie die Nachzahlung entgangener Renten und Hilfen für Therapien. Ihre Vertreter am Runden Tisch haben zu den Forderungen eine Sondersitzung des Gremiums beantragt.

Von der Gründung der Bundesrepublik bis Mitte der 1970er Jahre lebten rund 800.000 Kinder und Jugendliche in Kinder- und Jugendheimen, rund 500.000 von ihnen in kirchlichen Einrichtungen. Viele von ihnen wurden misshandelt, sexuell missbraucht und zu harter Arbeit gezwungen.

Fonds für Traumatisierte
Am Nachmittag kam der Runde Tisch Heimerziehung zusammen. Die zweitägige Sitzung steht unter dem Vorzeichen der öffentlichen Diskussion über die Missbrauchsfälle an kirchlichen und anderen Schulen. Die Vorsitzende des Runden Tisches, die Grünen-Politikerin Antje Vollmer, hat einen Fonds für Traumatisierte ins Gespräch gebracht. Bei der Anlaufstelle des Runden Tisches für ehemalige Heimkinder berichtet jeder dritte Betroffene von sexuellen Übergriffen.

Der Runde Tisch zur Heimerziehung war Ende 2008 vom Bundestag beschlossen worden und nahm im Februar 2009 seine Arbeit auf. Er soll Ende dieses Jahres der Politik Empfehlungen für Entschädigungslösungen geben. Dem Gremium gehören Vertreter der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, von Bund und Ländern, Experten sowie Vertreter der früheren Heimkinder an.