Der "Runde Tisch Heimerziehung" tagt zum siebten Mal

Demonstrationen und Debatten

In Berlin tagt heute der "Runde Tisch Heimerziehung" zum ersten Mal seit dem Zwischenbericht im Januar. Bei dem Treffen geht es um mögliche traumatischen Folgen durch die Heimerziehung - nicht um Entschädigungen für die Opfer. Dagegen haben deren Vertreter Proteste angekündigt.

Autor/in:
Karin Wollschläger
 (DR)

Eine medienwirksame Inszenierung dürfte es allemal
sein: Mit einer drei Meter hohen «Prügel-Nonne» aus Pappe wollen ehemalige Heimkinder Front gegen den «Runden Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren» machen; die Figur hält das Kreuz in der Linken, den Rohrstock in der Rechten. Die «Freie Initiative ehemaliger Heimkinder», der auch die kirchenkritische Giordano Bruno Stiftung angehört, hat zur Demonstration gerufen: Am Donnerstagmittag - parallel zum siebten Treffen des Runden Tisches - soll dem Unmut gegen «Missbrauch und schwarze Pädagogik» Luft gemacht werden. Vom Bundestags-Abgeordnetenhaus, wo der Runde Tisch tagt, soll der Zug zum Brandenburger Tor führen.

Im Aufruf zur Demo ist eindeutig formuliert: Man werde «den Weg der offenen Konfrontation gehen» und fordere Entschädigungszahlungen von Staat und Kirchen. Die Teilnehmer wollen sich dabei auf den Ende Januar veröffentlichten Zwischenbericht des Runden Tisches berufen.
Darin bedauert das Gremium das erlittene Unrecht von Heimkindern in der frühen Bundesrepublik, spricht von einem «System Heimerziehung» und hält individuelle Entschädigungen durch ein Fonds- oder Stiftungsmodell zumindest für denkbar.

Dieses Thema steht allerdings nicht auf der Tagesordnung der ersten Sitzung des Runden Tisches nach dem Zwischenbericht. In den verbleibenden drei Sitzungen bis zum Abschlussbericht im Dezember allerdings werde sich das Gremium mit der Frage nach etwaigen Entschädigungen beschäftigen, so ein Sprecher.

Entschädigungen nicht ausgeschlossen
Die Vorsitzende des Runden Tisches, Antje Vollmer, hatte betont, besser als finanzieller Ausgleich versöhne möglicherweise eine direkte persönliche Ansprache. Wo Träger und Einrichtungen im Gespräch ihr Gegenüber ernst nähmen, «haben wir auf Dauer den Eindruck, dass da die stärkste Heilung passiert». Als ein Beispiel nannte sie die Telefon-Hotline der katholischen Kirche. Inzwischen hat die Grünen-Politikerin vorgeschlagen, einen «Fonds für Traumatisierte» zu gründen, der auch Opfern sexuellen Missbrauchs zugute kommen könnte.

Um die Belange dieser Gruppe soll sich indes ein anderer Runder Tisch kümmern, der am 23. April unter Leitung der Bundesministerinnen für Familie, Justiz und Bildung erstmals zusammentreten wird. Es gibt deutliche Parallelen: Außer dem Thema Entschädigungen wird auch über eine angemessene Beteiligung der Opfer am Runden Tisch sowie geeignete Formen zur Aufarbeitung des Unrechts diskutiert.
Kirchen mit am Tisch
Die zwei großen Kirchen sind an beiden Runden Tischen vertreten. Wie ernst sie ihren Platz dort nehmen, zeigt sich nicht zuletzt in der prominenten Besetzung: Beim «Runden Tisch gegen Missbrauch» sind auf katholischer Seite wohl auf jeden Fall der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, sowie der Leiter des Katholischen Büros Berlin, Prälat Karl Jüsten, dabei.
Und beim «Runden Tisch Heimerziehung» steigt der offizielle Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hans Ulrich Anke, im Herbst zum Präsidenten des EKD-Kirchenamtes auf.