Radio-Vatikan-Leiter Hagenkord über die Folgen der Papst-Kritik

"Angeschlagen? Hier sicherlich nicht!"

Außergewöhnlich war, was die Besucher der Ostermontagsmesse im Vatikan hörten: Angelo Sodano, der dem Papst den Rücken stärkte. Warum der ranghöchste Kardinal vom Protokoll abwich, fragt sich Bernd Hagenkord noch immer - der Leiter von Radio Vatikan Deutsch gegenüber domradio.de über bewegte Ostertage.

Benedikt XVI.: Priesterjahr-Schlussfeier könnte Rahmen für Brief bilden (KNA)
Benedikt XVI.: Priesterjahr-Schlussfeier könnte Rahmen für Brief bilden / ( KNA )

domradio.de: Wie kann man einordnen, dass der Papst vor dem Gottesdienst von Kardinal Sodano erst einmal bestärkt wurde?
Hagenkord: Wir sitzen hier und fragen uns eigentlich auch, was da passiert ist. Kardinal Sodano hat die Weltöffentlichkeit noch mal sehr aufmerksam gemacht, indem er vom Protokoll abgewichen ist. Was er gesagt hat - ich habe keine Ahnung, was er damit erreichen wollte.

domradio.de: Ist Papst Benedikt XVI. ernsthaft angeschlagen aufgrund der Missbrauchs-Kritik, die unter anderem aus Deutschland kommt?
Hagenkord: Angeschlagen wo? Hier sicherlich nicht. Aber es ist natürlich schwieriger für ihn geworden auch hier in Rom, seine Linie durchzusetzen und zu sagen: Wir müssen aufklären, wir müssen Präventivmaßnahmen ergreifen, wenn man so tut, als ob man die Reihen schließt. Das will er selber ja nicht. Aber bei Sodano bin ich mir da nicht ganz so sicher.

domradio.de: Wenn der Hausprediger des Papstes, Cantalamessa, am Karfreitag die derzeitige Berichterstattung zum Missbrauch mit Antisemitismus vergleicht. Was zeigt das über den Umgang des Vatikans mit der Berichterstattung?
Hagenkord: Man muss gucken, was er genau gesagt hat: Er hat natürlich diesen unsäglichen Vergleich herbeigezogen - aber es war ja nicht seiner, sondern ein Vergleich, den ein jüdischer Freund ihm geschickt hat. Natürlich ist völlig klar, dass das gar nicht geht, das ist in einer öffentlichen Debatte überhaupt nicht zu zitieren. Natürlich war das daneben. Aber das war eher eine Ungeschicklichkeit, ein Nicht-Sehen davon, wie die öffentliche Meinung im Augenblick mit diesen Themen umgeht. Das war nicht bösartig, antisemitisch oder der Versuch etwas zu vertuschen, es war einfach nur ungeschickt.

domradio.de: Wie nehmen Sie die Stimmung im Vatikan gerade wahr: Wird offen mit dem Thema Missbrauch umgegangen?
Hagenkord: Diejenigen im Vatikan, mit denen ich zu tun habe, sagen das sehr deutlich. Es ist völlig klar, dass es keinen anderen Weg gibt: Aufklärung, Offenlegen, Sprechen, den Opfern Raum geben.

domradio.de: Sind die Bischöfe in Deutschland da schon weiter, wenn Erzbischof Zollitsch jetzt sagt, die Kirche brauche einen Neuanfang?
Hagenkord: Ich glaube, schon. Was ich von deutschsprachigen Bischöfen - auch denen aus der Schweiz und Österreich - höre, sind sehr viele sehr eindeutige und sehr klare Stellungnahmen, die sehr klar die Chance für einen Neuanfang in der Kirche bieten, auch einen neuen Stil zum Beispiel bei der Priesterausbildung und dem Umgang miteinander - und trotzdem auch die Offenheit, dass wir auch in der Gesellschaft über das Thema reden. Es ist ja nun mal leider kein kirchliches Problem, sondern ein gesamtgesellschaftliches.

domradio.de: Sieht Papst Benedikt XVI. das auch so?
Hagenkord: Ja, davon bin ich überzeugt. Alles, was er bisher dazu gesagt hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, lässt nur einen Schluss zu, nämlich dass er alles klar aufgeklärt und geklärt haben will.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.