In der ARD läuft ein Film über eine von Scientology zerissene Familie

Zum Ärger des "Thetans"

Schon seit Wochen sorgt dieser Film für Schlagzeilen: "Bis nichts mehr bleibt" über Scientology. Er sei Teil einer unstimmigen "Kampagne", kritisiert die vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation selber. Ihr Verbot in Deutschland fordern erneut Experten.

Autor/in:
Ellen Reglitz und Klaus Merhof
 (DR)

Freundliche Herren in dunklen Anzügen empfangen die Pressevertreter in der Hamburger Scientology-Zentrale. Mit persönlicher Begleitung geht es hinab in die "Kapelle", einen Konferenzraum mit Stuhlreihen. Im Vorraum wartet ein Büfett, gegenüber ein Tisch mit Werbematerial. Gut vorbereitet lud Scientology Deutschland kurz vor der Ausstrahlung des ARD-Spielfilms "Bis nichts mehr bleibt" zur Pressekonferenz in Hamburg.

Die Organisation ist verärgert. Der Film über das Schicksal eines Aussteigers aus der Organisation, der am Mittwoch im Ersten läuft, sei eine "Kampagne mit Informationen, die nicht stimmen", sagt Sprecher Jürg Stettler, Sprecher von Scientology Deutschland. Ein juristisches Vorgehen gegen den ARD-Film sei zwar nicht geplant. Scientology fordert den Senderverbund jedoch auf, die Ausstrahlung des Films "gemäß eigener Kontrollinstanzen" zu überprüfen.

Schicksal einer Familie, die von Scientology zerrissen wird
"Bis nichts mehr bleibt" handelt vom Schicksal einer Familie, die von Scientology zerrissen wird. Der Fernsehfilmchef des bei dem Projekt federführenden SWR, Carl Bergengruen, betont: "Als öffentlich-rechtlicher Sender ist es unsere Pflicht, auf gesellschaftliche Probleme und Missstände aufmerksam zu machen." Der Film sei keine "eins zu eins"-Umsetzung eines Einzelschicksals, sondern eine fiktive Geschichte, die die Methoden von Scientology authentisch darstelle.

Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein stützt sich laut Bergengruen auf sehr genaue und monatelange Recherchen, bei denen er mit Aussteigern, Zeugen und Experten gesprochen habe. "Es ist unser Ziel, das Bewusstsein von Millionen Zuschauern für die Scientology-Problematik zu schärfen." Um zu verhindern, dass die Organisation vorab Informationen über den Film in Erfahrungen bringt, sei der gesamte Drehprozess geschützt worden.

Offenbar weiß Scientology trotzdem genau, worum es in dem Film geht. Laut Stettler hat die Organisation die nötigen Informationen Medienberichten entnommen. In einem eigenen, rund 40-minütigen Dokumentationsfilm, der am 25. März den Journalisten in Hamburg präsentiert wurde, erzählt sie ihre Variante der Geschichte, auf der "Bis nichts mehr bleibt" zum Teil beruht.

Ursula Caberta, Leiterin der Hamburger Arbeitsgruppe Scientology, wirkte an dem ARD-Film beratend mit. "Er stellt die Methoden Scientologys realistisch dar", sagt die Expertin und betont, dass die Organisation seit der Innenministerkonferenz 1997 als eine neue Form des politischen Extremismus gilt und deshalb vom Bundesverfassungsschutz beobachtet wird.

Scientology stört sich schon länger an Caberta. Statt die Organisation selbst zu befragen, hätten sich die Autoren des ARD-Filmstoffes von der Hamburger Sektenexpertin manipulieren lassen. Stettler kündigte deshalb jetzt eine Schadensersatzklage gegen die Stadt Hamburg an.

Kritiker wie Caberta werfen Scientology unter anderem vor, durch teure Psychokurse ihre Mitglieder in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen. Durch die Seminare soll das unsterbliche Wesen jedes Menschen, der "Thetan", wiederhergestellt werden.

Der Verfassungsschutz geht von 5.000 bis 6.000 Mitgliedern in Deutschland aus. Nach seiner Einschätzung lässt das Schrifttum der Organisation erkennen, "dass in einer Gesellschaft nach scientologischen Vorstellungen wesentliche Grund- und Menschenrechte wie die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Gleichbehandlung nicht gewährleistet sind." Darüber hinaus strebe Scientology eine Gesellschaft ohne allgemeine und gleiche Wahlen an.

Auch Thomas Gandow, Pfarrer für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, gibt den Machern von "Bis nichts mehr bleibt" recht. "In meiner 30-jährigen Beratungstätigkeit habe ich sehr ähnliche Erfahrungen gemacht", sagt er. Bis in die 90er Jahre habe Scientology in Deutschland mit teuren Seminaren hohe Einnahmen erzielt. Zuletzt sei die Organisation durch eine kritische Öffentlichkeit jedoch in Bedrängnis geraten, sagt Gandow: "Auch der ARD-Film ist aus Scientologen-Sicht geschäftsschädigend."