Amnesty International legt eine Weltkarte zu Todesstrafe vor

Viele gelbe, noch mehr schwarzen Flecken

2009 sind weltweit mehr als 700 Menschen hingerichtet worden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International listet für das vergangene Jahr insgesamt 714 vollstreckte Todesurteile auf. Mangels zuverlässiger Zahlen fehlt China in der Statistik - weltweiter Spitzenreiter bei Vollstreckungen.

 (DR)

Es ist eine Karte mit vielen gelben und noch mehr schwarzen Flecken, die amnesty international (ai) zu ihrem aktuellen Jahresbericht über Todesstrafe weltweit verbreitet. Die gelb gemalten Staaten wenden die Strafe an, die schwarz gefärbten nicht. Tatsächlich birgt die Statistik der Menschenrechtsorganisation noch mehr Karten, Fakten und Farben: Er unterscheidet etwa zwischen Ländern, die im Jahr 2009 Hinrichtungen vollzogen haben und solchen, in denen solche Urteile lediglich verhängt wurden; er differenziert zwischen vollständiger Abschaffung der Todesstrafe, Abschaffung in der Praxis, aber nicht im Gesetz oder Anwendung nur noch für außergewöhnliche Straftaten. Ein umfassender Blick auf "Hinrichtungen und Todesstrafen 2009" - trotzdem bleiben auch weiße Flecken auf der Landkarte.



So gibt es keine konkreten Angaben zu China in dem Bericht. ai habe "die Regierung in Peking aufgefordert, Todesurteile und Hinrichtungen nicht länger als Staatsgeheimnis zu behandeln. Als Reaktion darauf veröffentlicht amnesty in der diesjährigen Todesstrafen-Statistik erstmals keine Zahlen zu China", heißt es zur Begründung. "Die chinesische Regierung behauptet, dass immer weniger Hinrichtungen stattfinden. Wenn das stimmt, warum verheimlichen die Behörden, wie viele Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden?", fragt ai-Experte Oliver Hendrich.



Trotzdem geht die Menschenrechtsorganisation nach eigenen Angaben davon aus, dass 2009 in China Tausende Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden und die dortigen Zahlen höher seien als im Rest der Welt zusammen. Zum Vergleich finden sich in den Materialien die Zahlen von 2008 - mit China: In dem Zeitraum seien 2.390 Menschen hingerichtet und mehr als 8.800 Todesurteile ausgesprochen worden. 2009 - ohne China - geht ai von mindestens 714 Exekutionen in 18 Staaten und rund 2.000 Verurteilungen zum Tode in 56 Ländern aus.



An der Spitze der Liste stehen in diesem Jahr beim Vollzug der Todesstrafe der Iran mit mindestens 388 Exekutionen, der Irak mit mindestens 120 und Saudi-Arabien mit 69. Der Iran und Saudi-Arabien seien auch die einzigen zwei Länder, in denen minderjährige Straftäter hingerichtet worden seien. Die Todesstrafe zu politischen Zwecken setzten laut ai China, Iran und Sudan ein. Zudem sei die Anwendung der Todesstrafe von Diskriminierung begleitet.

Todesurteile wurden nach Erkenntnissen von ai oft nach grob unfairen Verfahren verhängt, trafen überdurchschnittlich häufig Arme sowie Angehörige ethnischer, nationaler oder religiöser Minderheiten.



Trotzdem sieht ai auch positive Anzeichen; etwa in den USA, obwohl sie mit 52 Hinrichtungen auf Rang vier der Liste landen. Dies sei, so ai, zwar der höchste Wert seit drei Jahren, aber doch deutlich geringer als 1999, als er bei 98 lag. Auch sei die Zahl der Todesurteile in den USA weiter rückläufig. Während 1994 noch 328 mal diese Strafe verhängt wurde, waren es 2009 noch 106 Fälle. Dies sei der geringste Wert seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1977.



Weltweit macht ai einen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe aus.

139 Staaten hätten sie im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.

"Weniger Länder als je zuvor vollstrecken die Todesstrafe", erläutert Hendrich. "Wir kommen einer todesstrafefreien Welt Schritt für Schritt näher." In Europa und Zentralasien war das Ziel zumindest für 2009 schon erreicht. In den Regionen gab es laut ai im vergangen Jahr keine Hinrichtungen. Das allerdings wird sich im kommenden Bericht sicher ändern: Weißrussland, das einzige Land Europas, das die Todesstrafe noch anwendet, richtete im Februar zwei Männer hin. Trotz internationaler Proteste und Initiativen wird es also auch weiterhin noch etliche gelbe Länder auf der Karte geben.