Filmemacher Schomerus über das "wilde Treiben" in der Grabeskirche und seinen Kinofilm

Das Labor von Jerusalem

In der Grabeskirche in Jerusalem leben sechs christliche Konfessionen Tür an Tür unter einem Dach. Über die Folgen dieser unfreiwilligen Wohngemeinschaft geht es in "Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen". Regisseur Hajo Schomerus stellt im domradio.de-Interview seinen Film vor.

 (DR)

domradio.de: Wie kamen Sie auf die Idee, das kirchliche Leben in der Grabeskirche filmisch unter die Lupe zu nehmen?

Schomerus: Ich bin eigentlich, als ich auf die Idee über den Film über die Grabeskirche gestoßen bin, gar nicht so sehr an dem kirchlichen Miteinander hängen geblieben, sondern hatte auch das Gefühl: Es ist ein sehr menschlicher Ort. Bis ich zum ersten Mal selber da gewesen bin, habe ich ihn gar nicht so als spirituellen Ort erlebt. Wenn man dann zum ersten Mal hineinkommt und merkt, dass dieses Gemäuer auch so eine spirituelle Luft ausatmet, merkt man, welch wunderbare Laborsituation dieses religiöse Miteinander ist. Für einen Filmemacher sehr interessant. Mal lernt viel über den Glauben. Man lernt aber auch sehr viel über das Menschsein, über menschliche Höhen und Tiefen.

domradio.de: Zu Beginn des Films erleben wir eine Gruppe israelischer Soldaten, die eine Führung durch die Grabeskirche mitmachen. Und die Reiseleiterin sagt: Wir werden gleich coole Christen sehen. Wozu dieser Ausschnitt?

Schomerus: Die Tatsache, dass die israelische Armee Führungen durch die Grabeskirche macht und in einem Crashkurs das Christentum auch die Kreuzigungsgeschichte erzählt, fast wie eine historische Legende, ist natürlich eine wunderbare Außenperspektive, sich diesem Ort zu nähern. Man stellt fest, dass die Führung fast wie eine Zooführung ist, wenn man das so ein bisschen despektierlich sagen kann. Sie schauen von außen auf dieses "wilde Treiben" in der Grabeskirche  - vielleicht ist das auch ein bisschen mein Blick auf das Geschehen.

domradio.de: Im Film gibt es Bruder Jay, der erst seit vier Wochen in der Grabeskirche arbeitet, der sich geschockt zeigt. Warum?

Schomerus: Er ist ein sehr warmherziger Typ, der mit viel Idealismus und viel Herzblut seine Mission in der Grabeskirche betrachtet. Und ich glaube, dass seine Gutmütigkeit - zumindest in den ersten Wochen - auf eine starke Probe gestellt wurde. Weil tatsächlich das Miteinander sehr rau sein kann. Es muss gar nicht immer zum Streit kommen. Aber es ist einfach so, dass alle fünf Gruppen, die in der Kirche vertreten sind, ihren Betrieb am Laufen zu halten haben. Ein großer Strom von Pilgern wird durchgeschleust. Jeder ist sehr beschäftigt, jeder muss sehen, dass er irgendwie seine Sachen erledigt bekommt. Da bleibt viel menschliches Miteinander auf der Strecke.

Das Gespräch führte Birgitt Schippers. Hören Sie hier Teil 1 und Teil 2 in voller Länge nach.