Heiliger Stuhl und Bischof Müller erstmals zu Missbrauchsfällen

Der Vatikan reagiert

Der Vatikan hat zu einer durchgreifenden Aufklärung der Missbrauchsfälle in Einrichtungen der Katholischen Kirche in Deutschland aufgerufen. Der Heilige Stuhl unterstütze die Bereitschaft des Regensburger Bistums, "die schmerzliche Angelegenheit mit Entschlossenheit und in offener Weise zu untersuchen", heißt es in einer Erklärung in der Vatikanzeitung "Osservatore Romano". Auch der Regensburger Bischof meldet sich nun.

 (DR)

Kurienkardinal Walter Kasper hat mit "tiefer Enttäuschung, Schmerz und sehr großem Zorn" auf die jüngsten Nachrichten über Missbrauchsfälle in der deutschen Kirche regagiert. Die Kirche müsse "Klarheit schaffen", die Verantwortlichen vor Gericht bringen und die Opfer entschädigen, fordert der deutsche Kardinal. Der Heilige Stuhl sei «dankbar für dieses Bemühen um Klarheit innerhalb der Kirche», so die Stellungnahme. Zugleich wünsche man, «dass ebensolche Klarheit auch in anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen geschaffen wird, wenn das Wohl der Kinder wirklich allen am Herzen liegt».

In einem Interview mit der italienischen Tageszeitung «La Repubblica» sagte Kasper. «Es handelt sich um verabscheuungswürdige Verbrechen, die mit absoluter Entschlossenheit verfolgt werden müssen», so Kasper.

Der Kardinal nannte sexuelle Vergehen ein «Übel, das in die Gesellschaft, aber auch in die Kirche eingedrungen ist». Diese sei «nicht immun gegen Sünden». Im Blick auf den angekündigten Brief von Papst Benedikt XVI. zum Missbrauchsskandal in der irischen Kirche sagte Kasper, das Problem verdiene eine umfassendere Analyse, die die Weltkirche einschließe und nicht nur eine einzelne Nation.

Kasper, dienstältester Kardinal an der Kurie, ist neben seiner Leitung des vatikanischen Ökumene-Rats auch Mitglied der Glaubenskongregation und des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur.

Bischof Müller: Nicht in Amtszeit Ratzingers
In der gleichen Ausgabe legt der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller in einer Erklärung die Missbrauchsfälle im Umfeld der Regensburger Domspatzen dar. Müller verweist dabei auf einen bereits bekannten Vorgang aus dem Jahr 1958, bei dem der stellvertretende Institutsleiter wegen sexuellen Missbrauchs aus dem Dienst entfernt wurde. Ferner bezieht er sich auf einen Priester, der ebenfalls 1958 für sieben Monate in dem Knabenchor arbeitete und zwölf Jahre später wegen Missbrauchs verurteilt wurde. Es werde noch untersucht, ob das betreffende Vergehen auch die Zeit der Tätigkeit bei den Domspatzen betreffe.

«Beide Fälle waren seinerzeit schon öffentlich bekannt und sind juristisch als abgeschlossen zu betrachten. Sie fallen nicht mit der Amtszeit von Kapellmeister Professor Georg Ratzinger (1964-1994) zusammen», so Müller in der Erklärung.

Ratzinger selsbt bekräftigte in einem Interview der Tageszeitung «La Repubblica», ihm sei nichts über sexuelle und andere Formen von Missbrauch während seiner Zeit als Domkapellmeister bekannt. Der Bruder von Papst Benedikt XVI. machte «Missgunst und Feindseligkeit» gegen die katholische Kirche mitverantwortlich für die Missbrauchsvorwürfe.

Während seiner Amtszeit als Domkapellmeister habe bei den Domspatzen wegen des hohen musikalischen Anspruchs ein «Klima der Disziplin und Strenge» und gleichzeitig des «menschlichen Verständnisses fast wie in einer Familie» geherrscht, betonte der Kirchenmusiker. Ratzinger leitete den Knabenchor von 1964 bis 1994.