Auch Kirchen bei Aktionen gegen Rechtsextremismus dabei

Gebete, weiße Rosen und eine Menschenkette

Sambatrommeln und Posaunen erklangen am Samstag auf dem Dresdener Postplatz. Pfarrer Karl-Heinz Maischner trug stilgerecht den schwarzen Talar und ein Barett, als er die versammelten Christen begrüßte. Am 65. Jahrestag der Zerstörung Dresdens hatten verschiedene kirchliche Gruppen wie Pax Christi und Aktion Sühnezeichen zu einem Friedensgebet aufgerufen. An einer Menschenkette beteiligten sich anschließend rund 15.000 Menschen.

 (DR)



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Von Benjamin Lassiwe  (KNA)

Sie alle wollten in der Dresdner Altstadt dagegen protestieren, dass zeitgleich etwa 5.000 Neonazis auf dem anderen Elbufer das Gedenken an Opfer des Bombenangriffs vom 13. Februar 1945 für ihre Ideologie missbrauchten.

Hubschrauber flogen in Formation über die Beter, als Katrin Göring-Eckardt, Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestags und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, das Wort ergriff. «Es ist gut, dass wir nicht stillhalten», sagte sie zu Beginn des Friedensgebetes. «Es ist gut, dass wir aufstehen und für die Demokratie kämpfen.» Begleitet von der Musik der Samba-Trommelgruppe Escola Popular zogen die Christen zum Theaterplatz. Vor der im Zweiten Weltkrieg zerstörten und erst in den 1980er Jahren wiederaufgebauten Semperoper gab es einen
Zwischenfall: Polizisten nahmen nach einer Rangelei einen Demonstranten vorübergehend fest. Später entschuldigten sie sich bei den Betern dafür.

Bereits am Morgen hatte der katholische Bischof von Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, der zu den Erstunterzeichnern des demokratischen Aufrufs «Erinnern und Handeln in Dresden» gehört, in einem Interview zu einem Friedenstag für die Elbestadt aufgerufen. Der Zweite Weltkrieg sei vor nunmehr 65 Jahren zu Ende gegangen, der Geist der Nationalsozialisten lebe in den Köpfen einer Minderheit aber fort.
Immer noch würden Menschen diskriminiert und entwürdigt, beklagte er. Die Aktionen des demokratischen Bündnisses verurteilten dies und wiesen nach vorn.

Während am Nachmittag auf der anderen Elbseite autonome und linke Gruppen zu Straßenblockaden aufgerufen, um den demonstrierenden Rechten den Weg zu versperren, und es dabei zu mehreren Polizeieinsätzen kam, zeigten rund 15.000 Menschen mit weißen Rosen als Anstecker, dass es auch anders geht: Auf Einladung der Stadt fassten sie sich an den Händen und bildeten von der Synagoge zum Altmarkt eine Menschenkette - vom wiederaufgebauten Zentrum der Dresdener jüdischen Gemeinde zu dem Ort, an dem vor 65 Jahren die Toten des Bombeninfernos in einem Krematorium verbrannt worden waren.

Auch Reinelt, sein evangelischer Amtsbruder Jochen Bohl und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hatten sich in die Menschenkette eingereiht. «Die Menschenkette folgt den alten Festungsmauern Dresdens», sagte Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), die ob der großen Zahl der Teilnehmer schlicht «überwältigt» war. «Wir wollen Dresden zu einer friedlichen und weltoffenen Stadt machen, zu einer Festung gegen Intoleranz und Demokratie», so Orosz.

Bohl äußerte sich begeistert über die hohe Zahl der Teilnehmer an der Menschenkette. «Wir werden uns aber am 13. Februar nächsten Jahres wiedersehen und auch dann gute und angemessene Antworten auf die Rechtsextremen finden», so Bohl. Am Abend fanden Gottesdienste beider Kirchen mit den Bischöfen statt.

Vor der Frauenkirche betonte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum zum Abschluss des Aktionstags, Dresden habe als symbolischer Ort die Chance und Verpflichtung, sich stellvertretend auch für andere zu erinnern. Dabei dürfe die Gesellschaft aber nicht stehenbleiben. «Wir sind geradezu verpflichtet, von Dresden aus immer wieder ein Signal für Frieden und Völkerverständigung, für Demokratie und Menschenrechte in die Welt zu senden.»