Erfolg des Evangelischen Entwicklungsdienstes gegen Biopiraterie

Der Wissensraub der Pharmakonzerne

Viele alte Kulturen haben auch ihre alten Heilmittel. Immer häufiger bedienen sich große Pharmakonzerne dieses traditionellen Wissens der Ureinwohner. Biopiraterie nennt man das im Fachjargon. Gegen diesen Raub von traditionellem Wissen setzten sich vor allem Nichtregierungsorganisationen ein. Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) berichtet im Interview über einen großen Erfolg seiner Organisation im Kampf gegen die Biopiraterie.

 (DR)

domradio: Welchen Erfolg können Sie feiern?
Frein: Wir feiern den Erfolg, dass es uns gelungen ist, dass das Europäische Patentamt ein Patent widerrufen hat. Es ging dort um ein Extraktionsverfahren aus südafrikanischen Wurzeln. Mit dem Wirkstoff wird Umckaloabo, ein Produkt gegen Bronchitis und Erkältung hergestellt. Es gab für die Nutzung keine vorherige informierte Zustimmung der lokalen Bevölkerung aus Südafrika, dem Träger des traditionellen Wissens. Und es gibt auch keine Vereinbarung über einen entsprechenden gerechten Vorteilsausgleich.

domradio: Das heißt, die Pharmakonzerne rauben das Wissen der Ureinwohner. Wie gehen die da vor?
Frein: In diesem Fall ist es ein bisschen anders. Da ist die Geschichte, dass es vor hundert Jahren über Großbritannien nach Deutschland gekommen ist. Aber was uns unsere Partner aus dem Süden erzählen und das, was wir auf internationalen Konferenzen immer hören, ist, dass ganz oft arglos gefragt wird und die Menschen geben dann Auskunft über das, was sie dort tun, wozu sie welche Pflanzen benutzen. Das können dann glänzende Haare sein für die Kosmetikindustrie; das können bestimmte Beschwerden oder Krankheiten sein. Und so lernt man dann als Bioprospektor, was man wozu benutzen kann, versucht das im heimischen Labor, versucht herauszufinden, welche Wirkstoffe es sind und geht dann hin und baut ein Medikament oder eine Kosmetik, genau auf der Basis dieses traditionellen Wissens.

domradio: Wie haben Sie denn diesen Bewohnern zur Seite gestanden, wie kamen Sie zu diesem Erfolg?
Frein: Den Menschen dort geht es in erster Linie einmal darum, dass ihr traditionelles Wissen anerkannt wird. Dass heißt, sie wollen, dass nicht irgendwo in Deutschland oder in irgendwelchen anderen Industrieländern ihr traditionelles Wissen benutzt werden kann, ohne dass sie dort zustimmen. Dass heißt, wir haben dann mit einem unserer Kooperationspartner, einer südafrikanischen Partnerorganisation, dem African Center for Biosafety gesagt: "Wir werden hingehen und uns zusammen mit Euch dafür einsetzten, indem wir über die Erklärung von Bern in der Schweiz einen Patentanwalt besorgt haben - weil im EED natürlich dieses Wissen nicht vorhanden ist - und mit Hilfe dieses Patentanwaltes haben wir den Einspruch beim Europäischen Patentamt eingereicht, entsprechend durchgefochten und schließlich auch gewonnen.

domradio: Das bedeutet ja auch, dass der Pharmakonzern, wenn er das Patent hat, auch alleine den Gewinn einfährt. Was wäre denn eine angemessene Beteiligung an diesem Gewinn?
Frein: Es geht nicht einfach nur darum, angemessen am Gewinn zu beteiligen. Sondern es geht auch darum - und dass ist den Menschen im Süden ganz wichtig -, dass Sie darüber bestimmen dürfen, wozu ihr traditionelles Wissen denn eigentlich verwendet wird. Dass heißt, der erste Punkt ist die vorherige informierte Zustimmung.

Das kann man ganz einfach verkürzen auf den Terminus: erst fragen, dann nehmen. Das ist der erste Punkt, dass heißt, es geht in erster Linie gar nicht so sehr um materielle Dinge, sondern um immaterielle Dinge, wie die Anerkennung traditionellen Wissens. Dann sieht in einem zweiten Schritt die Konvention über die biologische Vielfalt Verhandlungen darüber vor, wie der gerechte Vorteilsausgleich denn ausfallen soll, dass heißt schlicht und ergreifend in dem Fall auch eine materielle Beteiligung in einer entsprechenden Höhe.

domradio: Sie fordern ja inzwischen auch eine rechtliche Grundlage auf internationaler Ebene gegen Biopiraterie, die auch die Interessen der Menschen in den Entwicklungsländern stärkt. Wie soll die aussehen?
Frein: Wir wollen, dass es nicht mehr möglich ist, Produkte hier zu vermarkten, die auf Biopiraterie beruhen, oder auch Patente zu erlangen, die auf Biopiraterie beruhen, Das Problem ist, dass das Patentrecht alle möglichen Kriterien vorsieht, um ein Patent zu haben, dass heißt, es muss neu sein, es muss eine Erfindung sein. Was das Patentamt nicht vorsieht ist, dass sie die Regeln der Konvention einhalten, also vorherige informierte Zustimmung und gerechter Vorteilsausgleich. Genau dieses wollen wir gerne in das internationale Patentrecht eingebaut sehen.

Inzwischen sind im Rahmen der Welthandelsorganisation über hundert Staaten genau dieser Meinung, dass dieses geschehen muss. Es setzten sich immer noch ein paar Industrieländer dagegen. Da hoffen wir was zu erreichen. Und die andere Ebene ist die Konvention über die biologische Vielfalt; auch dort wollen wir verbindliche internationale Regel, die in nationales Recht umzusetzen sind, so dass Biopiraterie hier in Deutschland und in anderen Industrieländern nicht mehr ohne weiteres möglich ist.

Interview: Monika Weiss