Holocaust-Gedenktag erinnert an Befreiung von Auschwitz

Massenmord im Fließbandverfahren

Auschwitz, das ist der furchtbarste Name, den die deutsche Geschichte kennt. Was zwischen 1940 und 1945 in der größten Menschenvernichtungsanlage der Nazis passierte, hatte die Welt bis dahin nicht gesehen: den industrialisierten Massenmord im Fließbandverfahren. Erst am 27. Januar 1945, vor 65 Jahren, befreiten sowjetische Soldaten die letzten 7.000 Häftlinge. Seit
1996 begeht die Bundesrepublik an diesem Tag den Holocaust-Gedenktag.

 (DR)

2006 wurde der Gedenktag auf Beschluss der UNO auch weltweit in den Kalender übernommen. Bis zu anderthalb Millionen Menschen kamen im Stammlager Auschwitz und den Nebenlagern Birkenau und Monowitz um: meist Juden, aber auch Sinti und Roma, Polen oder russische Gefangene. Als sich die Rote Armee im Januar 1945 dem 60 Kilometer von Krakau entfernt gelegenen Lager näherte, hatte die SS bereits versucht, die Spuren der Vernichtung zu beseitigen.

Doch das misslang: Die sowjetischen Soldaten fanden unter dem Schnee nicht nur die Spuren der Krematorien, sondern auch noch sechs Warenlager, in denen sich die Habseligkeiten der Häftlinge stapelten: fast 350.000 Anzüge von Männern und 840.000 Frauenkleider. Und Berge von Frauenhaar und Zahngold.

Fünf Jahre Mord und Folter
Anfang 1940 hatte der «Reichsführer SS», Heinrich Himmler, in dem polnischen Städtchen Oswiecim ursprünglich ein Lager für polnische Widerstandskämpfer vorgesehen. Doch der Ehrgeiz deutscher Industrieller trieb die SS dazu, aus den vor Ungeziefer strotzenden Kasernen eine Rüstungszentrale aufzubauen: Die IG Farben wollte ihre Kunstkautschuk-Produktion durch ein neues Buna-Werk erhöhen - und der SS kam das gelegen, um sich eine Vormachtstellung in der deutschen Wirtschaft zu sichern.

Für ein paar Mark pro Tag wurden die Häftlinge an die IG Farben «vermietet». Fortan kamen immer mehr Gefangene; in das schon für 8.000 Häftlinge viel zu enge Stammlager ließen Himmler und sein Lagerkommandant Rudolf Höß 130.000 Häftlinge pferchen. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion entstand in Birkenau ein eigenes Kriegsgefangenenlager, das für 100.000 Häftlinge vorgesehen war.

Todesfabrik ab 1941
Zur Todesfabrik entwickelte sich Auschwitz endgültig ab Herbst 1941, als Hitler mit Blick auf den stockenden Russland-Feldzug und den absehbaren Kriegseintritt der USA immer neue Drohungen gegen die Juden ausstieß. Ab Juli 1942 wurde die «Selektion an der Rampe» eingeführt. Direkt aus den Güterzügen wurden die zur Vernichtung ausgewählten Menschen in die Gaskammern geführt und mit Zyklon B ermordet. Den nicht sofort für den Tod bestimmten Häftlingen erging es kaum besser: «Vernichtung durch Arbeit» hieß die Devise. Andere wurden Opfer von medizinischen Versuchen, die unter anderem der Lagerarzt Josef Mengele durchführte.

«Wohl war dieser Befehl etwas Ungewöhnliches, Ungeheuerliches», schrieb der 1947 hingerichtete Lagerkommandant Rudolf Höß angesichts der Himmler-Anweisung, Auschwitz in eine Menschenvernichtungsmaschine zu verwandeln. «Doch die Begründung ließ mir diesen Vernichtungsvorgang richtig erscheinen. Ich stellte damals keine Überlegungen an - ich hatte den Befehl bekommen, und ich hatte ihn durchzuführen.» Ähnlich dachten wohl viele der zeitweise über 4.000 Männer und Frauen zählenden Bewachungsmannschaft aus den Reihen der SS.

Die Arbeit des Maximilian-Kolbe-Werks
In der unmittelbaren Nachkriegszeit verdrängten die Deutschen das Geschehen. Auch die meisten Historiker klammerten die Ereignisse in den Lagern zunächst aus. Selbst die fünf Frankfurter Auschwitz-Prozesse in den 60er und 70er Jahren konnten kaum einen Wandel schaffen. Erst die Studentenbewegung und eine scheinbar triviale amerikanische Fernsehserie veränderten die Situation: Mit «Holocaust» wurde Ende der 70er Jahre lange Verschüttetes freigelegt.

Im Rahmen einer Sühnewallfahrt reisten Mitglieder der deutschen Sektion von 'Pax Christi' im Jahr 1964 nach Polen. Sie suchten vor allem Kontakt zu polnischen Menschen. Alfons Erb, seinerzeit Vizepräsident von 'Pax Christi', formulierte das Ziel der Reise: "Wir sind nicht gekommen, um politische oder völkerrechtliche Probleme zu lösen, sondern um ein neues Klima der Verständigung, der gegenseitigen Vergebung und einer neuen Achtung zu bereiten." Die Gruppe begegnete dem damaligen Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla und besuchte das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz.

Beim Besuch der Gedenkstätte Auschwitz traf die Gruppe auf ein Ehepaar. Beide waren ehemalige KZ-Häftlinge. Die Deutschen erfuhren von ihren schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen und beschlossen eine Unterstützungsaktion für sie. Aus dieser spontanen Initiative entwickelte sich die Aktion "Solidaritätsspende" für die Opfer der Konzentrationslager, beschlossen von der Delegiertenversammlung von 'Pax Christi' im Mai 1965 in Münster. Dies war das erste Bestreben, den überlebenden NS-Opfern in Polen von deutscher Seite aus Sympathie und Solidarität zu bekunden und ihnen durch finanzielle Unterstützung ein wenig das Leben zu erleichtern.

Die politische Entspannung und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen nach Abschluss des Warschauer Vertrags im Jahr 1970 ließen in Deutschland ein Klima entstehen, in dem die Gründung eines Hilfswerks mit dem Ziel der Verständigung und Versöhnung mit Polen denkbar wurde. Am 19. Oktober 1973 wurde das Maximilian-Kolbe-Werk offiziell durch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und dreizehn katholische Verbände gegründet. Erster Geschäftsführer wurde Alfons Erb.

Das Maximilian-Kolbe-Werk war im Hinblick auf die Versöhnung mit Polen ein Vorreiter sowohl im politischen als auch im kirchlichen Kontext. Es bekundete bedingungslos die Schuld auf deutscher Seite, ohne sie gegen anderes Unrecht, beispielsweise das Schicksal der Heimatvertriebenen, aufzurechnen. Mit der Wahl P. Maximilian Kolbes zum Namenspatron wurde ein klares Zeichen gegeben. Alfons Erb war davon beeindruckt, wie Kolbe den Hass gegen die Deutschen in sich überwunden und seine Mithäftlinge zu derselben Haltung aufgerufen hatte. In Polen war Maximilian Kolbe schon damals sehr bekannt und tief verehrt. Die KZ-Überlebenden verstanden die Botschaft, die mit der Wahl des polnischen KZ-Häftlings Maximilian Kolbe verbunden war. Wer sich auf ihn berief, musste mit lauteren Absichten kommen.

Über 12.000 Überlebende der Konzentrationslager und Ghettos in der NS-Zeit aus Ländern Mittel- und Osteuropas
sind in den vergangenen 30 Jahren Einladungen des Maximilian-Kolbe-Werks nach Deutschland gefolgt. Nach Angaben des Kolbe-Werks gibt es in Mittel- und Osteuropa noch etwa 30.000 Überlebende der Konzentrationslager und Ghettos.