Der Unionsabgeordnete Hermann Kues bezweifelt die Notwendigkeit eines Arbeitskreises engagierter Katholiken

"Wir müssen breiter aufgestellt sein"

Katholisch, verheiratet, drei Kinder: Dr. Hermann Kues, Abgeordneter der CDU und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, vertritt auch im Bundestag katholische Positionen - die Initiatoren des Arbeitskreises engagierter Katholiken in der Union jedoch warnt Kues im domradio-Interview davor, in einer "Sackgasse" zu landen.

 (DR)

domradio: Sie sind selbst engagierter Katholik, Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken und Mitglied im Beirat der Katholischen Akademie Berlin - fühlen Sie sich als Katholik noch in der CDU beheimatet?
Kues: Ja selbstverständlich! Ich habe damit überhaupt kein Problem, ich vertrete seit 15 Jahren eine ausgesprochen katholische Region, das Emsland, im Bundestag. Dort ist es für mich selbstverständlich, dass ich zur Kirche gehöre, aber auch eben zur CDU.

domradio: Die Kritik des Arbeitskreises engagierter Katholiken zielt darauf, dass die CDU in den vergangenen Jahren evangelischer, säkularer und insgesamt religiös weniger bekennend geworden sei. Als langjähriger CDU-Politiker - können Sie diesen Eindruck nachvollziehen?
Kues: Es ist nun einmal so, dass wir in den neuen Bundesländern - das ist damit ja wohl gemeint - einen höheren Grad an Zustimmung erfahren haben, gerade bei der letzten Bundestagswahl. Aber man muss sich damit beschäftigen, woher so ein Gefühl kommt, so ein Eindruck. Es sind Selbstverständlichkeiten verloren gegangen, die Kirche hat sich gewandelt, die Kirche ist pluralistischer geworden, Gesellschaft hat sich geändert und insofern hat sich auch das Verhältnis zwischen CDU und Kirche geändert. Es ist nicht mehr so selbstverständlich, dass Kirche beispielsweise auch Personal für politischen Einsatz zur Verfügung stellt. Und dass der, der in der Kirche groß geworden ist, automatisch in die CDU übergeleitet wird. Insofern ist das beständige Herausforderung - damit muss man sich beschäftigen - das ist die Veränderung, die ich sehe.

Und was das Protestantische angeht, für mich ist die CDU von Anfang an  ein großes ökumenisches Projekt gewesen, und das halte ich auch für unverzichtbar. Wenn man in einer Welt, die so ist wie sie ist, weiterhin Einfluss nehmen will, dann muss man die Menschen überzeugen. Und zwar indem man sagt, wir sind nicht irgendeine versprengte Truppe, sondern wir sind eine Gruppe, die auch Ziele formuliert, die von anderen Menschen guten Willens nachvollziehbar sind.

domradio: Sie haben die Veränderungen in der Gesellschaft angesprochen, auch in der CDU. Wie groß ist denn dann  die Gefahr, dass ein solcher Arbeitskreis nicht für die Mehrheit der Katholiken in der Union steht, sondern nur sehr partielle Themen wie Familien- und Lebensschutz anspricht?
Kues: Also ich glaube -  wenn ich das jetzt aufgrund von meinen Beobachtungen feststellen darf - es ist legitim, sich in so einem Arbeitskreis zu engagieren. Aber ich kenne keinen katholischen Bundestagsabgeordneten - bis auf einen Kollegen, der da mitmacht - der sich davon tatsächlich vertreten fühlt, das ist der Punkt. Und da muss man aufpassen, dass man sich - ohne das zu wollen - nicht in eine Sackgasse begibt. Ich finde, man muss Einfluss nehmen mitten in die Gesellschaft. Da muss man die Katholiken und alle Christen zusammenführen und man darf sich nicht auseinander treiben lassen. Und insofern glaube ich auch, dass dieser Arbeitskreis über die Bedeutung, die er jetzt in der Öffentlichkeit hat, nie hinauskommen wird.

domradio: Auf der Klausurtagung vor gut zehn Tagen in Berlin hat der CDU-Parteivorstand die Berliner Erklärung veröffentlicht. Ein Thema darin ist eben die Modernisierung und die Öffnung der Partei, besonders für Wechselwähler. Wie kann es denn der Union gelingen, neue Wählerschichten anzusprechen, ohne Stammwähler, wie z.B. kirchentreue Katholiken, zu verprellen?
Kues: Ich glaube dazu gibt es keine Alternative, das muss man nunmal so sehen. Die moderne Gesellschaft ist da, man kann seine Meinung klar einbringen, man muss sich in einen Dialog begeben  - das ist völlig klar - und zwar mit allen Gruppen, mit allen Menschen guten Willens. Man braucht selbst eine klare Position - auch als einzelner Politiker -  man braucht einen roten Faden. Man muss sich orientieren am christlichen Menschenbild, das ist für mich nach wie vor auch vermittelbar gegenüber anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Diese Positionierung, die braucht man, darüber  muss man auch mehr reden. Da sehe ich vielleicht gelegentlich ein Defizit, dass man häufig zu formelhaft tut aber nicht übersetzt. Und dann kann es sich eben auf viele Politikbereiche beziehen.

Zum Beispiel müssen wir klar sagen "Wir wollen, dass in der Jugendpolitik, in der Arbeitsmarktpolitik, jeder junge Mensch eine faire Chance bekommt." Das hat was mit dem christlichen Menschenbild zu tun, darüber müssen wir reden. Insofern ist das eine Anfrage an unsere Gesellschaftspolitik, auch an unsere Wirtschaftspolitik, darin muss ich das festmachen, dass sie sich nicht  beschränkt auf einige, wenige Themen, wo man sagt, das sind so typisch kirchliche Themen. Also wir müssen breiter aufgestellt sein und dann glaube ich kann man für Wechselwähler interessant sein.