Haiti stellt Hilfsorganisationen vor besondere Herausforderungen

Die Drähte laufen heiß

Das Erdbeben in Haiti stellt viele Hilfsorganisationen vor große
Herausforderungen: Viele haben Krisenstäbe eingerichtet und weitere Mitarbeiter nach Haiti entsandt. Eine Hilfsaktion, vergleichbar mit der beim Tsunami von Süostasien 2004.

Autor/in:
Michael Ruffert
 (DR)

Ein normaler Arbeitsschreibtisch: Zettel liegen neben Kugelschreibern und Umlaufmappen, eine Mineralwasserflasche steht neben dem Locher. An der Wand hängt eine große Karte von ganz Lateinamerika: Eigentlich ist Ute Braun bei der Deutschen Welthungerhilfe für Nicaragua, Kuba und Haiti zuständig. Doch dreht sich im Moment alles ausschließlich um Haiti. In ihrem Büro in Bonn-Bad Godesberg ist die 49-jährige Länderreferentin von morgens bis abends damit beschäftigt, Hilfe für die Erdbebenopfer zu organisieren.

Fast ständig hat sie den Telefonhörer am Ohr oder mailt ihren Kollegen und Mitarbeitern in Haiti. "Sonst habe ich am Tag rund 50 E-Mails, jetzt sind es weit mehr als 200", sagt die Entwicklungshelferin. Gerade hat sie in Haiti Simone Pott angerufen. Kurz nach der Katastrophe, reiste die Pressesprecherin der Welthungerhilfe mit zwei Nothelfern sofort nach Haiti. Sie informiert über den Stand der Hilfsaktion

"Die Wasserverteilung lief gestern sehr gut", berichtet sie per Telefon. Als erste Nothilfe hat die Welthungerhilfe in einem Tiefbrunnen am Hafen von Port-au-Prince 33.000 Liter Wasser in Tanklastwagen gefüllt und an drei Standorten an rund 6.000 Menschen verteilt.

Der Arbeitstag beginnt mit einer Krisensitzung
Bei Welthungerhilfe und Caritas beginnt der Arbeitstag mit einer Krisensitzung. "Dann treffen sich die Länderreferenten, Mitarbeiter aus der Pressestelle, Fundraiser und Logistik-Experten", erläutert Marion Aberle, Leiterin der Pressestelle der Welthungerhilfe. Die neusten Informationen werden ausgetauscht, die Lage im Katastrophengebiet besprochen, der Arbeitstag geplant. In Haiti ist es um diese Zeit noch Nacht.

Erst gegen Mittag in Deutschland, wenn in Haiti die Sonne aufgeht, werden die Kollegen in Port-au-Prince kontaktiert. Inzwischen funktionieren die Telefonverbindungen meist gut: Man kommuniziert über Festnetz, Internet oder Satellitentelefon: Während es in Bonn nieselt, der Himmel voller Wolken hängt, scheint in Haiti die Sonne. Es herrschten Temperaturen über 30 Grad, berichtet Simone Pott ihren Kollegen über Telefon. "Die Sicherheitslage ist sehr widersprüchlich", erzählt sie weiter.

Es gebe Informationen, dass auf Helfer aus der Dominkanischen Republik geschossen worden sei. Anderseits verlief die Ausgabe von Trinkwasser an die Erdbebenopfer sehr friedlich. Wenn Lebensmittel verteilt werden, will die Welthungerhilfe allerdings um Polizeischutz bitten - ein Lastwagen der Organisation bringt Nahrungsmittel, Decken und Planen aus der Dominikanischen Republik nach Haiti.

Die Telefone klingeln im Fünf-Minuten-Takt
"Ganz wichtig ist für uns auch der Austausch mit anderen Hilfsorganisationen", erläutert Aberle. Die Aktionen müssten koordiniert werden. Auch das erfordert viele Besprechungen, Telefonate und E-Mails. Die Telefone klingeln im Fünf-Minuten-Takt.

Die Welthungerhilfe ist seit 1974 in Haiti tätig, "weil es eines der ärmsten Länder der Erde ist", sagt Aberle. 105 Mitarbeiter arbeiten dort für die Hilfsorganisation, darunter sechs Deutsche. Bei dem Erdbeben ist kein Mitarbeiter umgekommen - Aber viele haben Angehörige verloren oder ihre Unterkünfte. "In unserem Büro kampieren jetzt viele Menschen, sie schlafen teilweise auf dem Boden", berichtet Aberle. Auch viele Helfer seien traumatisiert.

Doch die Hilfsorganisationen brauchen einen langen Atem. Denn erst nach der hektischen Betriebsamkeit bei der akuten Nothilfe kann der Wiederaufbau beginnen: Eine Aufgabe, die Jahre dauern wird.