Militärpräsenz sorgt aber auch für Stirnrunzeln u.a. Frankreich

US-Soldaten in Haiti freudig empfangen

Mit ihrer starken Militärpräsenz sind die USA in Haiti nach dem Erdbeben willkommen. Vielerorts werden die US-Soldaten freudig begrüßt. Bei der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und in anderen lateinamerikanischen Ländern reagiert man dagegen mit Stirnrunzeln. Friedensforscher verteidigen den Einsatz der US-Armee in dem Karibikstaat.

Autor/in:
Matthias Knecht
 (DR)

Es sind filmreife Aktionen, mit denen sich die USA derzeit die Herzen vieler Haitianer erobern. Amerikanische Flugzeuge werfen Lebensmittel und Trinkwasser ab. US-Fallschirmspringer landen im Garten des zerstörten Präsidentenpalastes und demonstrieren damit, etwas für die Sicherheit in der Hauptstadt zu tun.

Seit dem Erdbeben vom 12. Januar sind 5.800 US-Soldaten in Haiti eingetroffen. 7.500 weitere sollen in diesen Tagen folgen. Sie kontrollieren den beschädigten Flughafen von Port-au-Prince, das Nadelöhr bei der Versorgung von Hilfsgütern. Sie versuchen, den zerstörten Hafen der Hauptstadt wieder funktionsfähig zu machen. Sie betreiben den US-Flugzeugträger Carl Vinson sowie ein Schiffslazarett vor der Küste. Und sie patrouillieren im Zentrum der Hauptstadt.

Bei ausländischen Beobachtern ruft das auch böse Erinnerungen hervor. Zum letzten Mal waren GIs 1994 in Haiti einmarschiert, um den aus dem Amt geputschten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide wieder einzusetzen. Später wiederum wirbelten die USA im Hintergrund, als der zunehmend korrupte Aristide 2004 wieder aus dem Amt gejagt wurde.

Venezuela und Nicaragua warfen den USA vor, Haiti militärisch zu «besetzen». Und Prensa Latina, die staatliche Nachrichtenagentur Kubas, warf Obama vor, «imperiale Führung in der Region» zu demonstrieren. «Ein verheerendes Erdbeben brachte Haiti an den Tropf der internationalen Solidarität. Doch während alle ankündigen, Ärzte, Medikamente und Lebensmittel zu senden, schicken die USA Kriegsgerät und Soldaten», schrieb Prensa Latina.

Verstimmt reagierte die ehemalige Kolonialmacht Frankreich. Paris warf den USA fehlende Koordinierung und die Bevorzugung US-amerikanischer Hilfsflüge vor. «Es geht darum, Haiti zu helfen, nicht es zu besetzen», sagte Frankreichs Staatssekretär für Entwicklung, Alain Joyandet. Die Rolle der USA in Haiti müsse präzisiert werden. Auf Frankreichs Betreiben beschloss die EU am Montag nicht nur ein umfassendes Hilfsprogramm über 420 Millionen Euro, sondern sagte in symbolischem Umfang auch Gendarmeriekräfte zu: 150 Polizisten will die EU nach Haiti entsenden.

Deutlich verschnupft über die US-Marines in Port-au-Prince zeigte sich auch Brasilien, das seit 2004 die führende Rolle in der UN-Friedensmission in Haiti einnimmt. Damit wird auch der Anspruch Lateinamerikas zum Ausdruck gebracht, die Probleme Haitis ohne Intervention von Onkel Sam zu lösen.

Die International Crisis Group, eine international tätige Gruppe von Friedens- und Konfliktforschern, weist den Vorwurf der Besetzung weit zurück. US-Soldaten zu entsenden, «war der einzige Weg, die Anlieferung der Nothilfe zu verbessern», sagt der Lateinamerika-Direktor der Organisation, Markus Schultze-Kraft. «Die USA spielen in der internationalen Nothilfe-Operation ganz klar eine Führungsrolle», betonen er und seine Kollegin Bernice Robertson in Haiti. Im Katastrophengebiet selbst sehen sie die UN in einer Schlüsselrolle, etwa bei der Koordinierung der vielen Hilfswerke.

Die Vereinten Nationen, die selbst stark vom Erdbeben getroffen wurden und die Führungsmannschaft ihrer Haiti-Mission verlor, zeigt derzeit schnell wieder Stärke. Am Dienstag beschloss der UN-Sicherheitsrat in New York, die Zahl der UN-Blauhelme in Haiti auf 12.500 zu erhöhen, von zuvor 9.000. Die Initiative dazu war vom lateinamerikanischen Mitglied Mexiko ausgegangen.

Die USA taten bisher alles, um den Eindruck einer Besetzung zu vermeiden. Das Weiße Haus versicherte, die Soldaten seien auf Wunsch des haitianischen Präsidenten René Preval entsendet worden. Zahm zeigte sich auch die Armee. «Wir wollen genügend Leute in Haiti haben, aber keinen Fußabdruck hinterlassen», beteuerte General Ken Keen, der den Haiti-Einsatz kommandiert.

Entschärft wurde inzwischen das Gerangel am Flughafen. Die UN-Friedensmission in Haiti, die US-Luftwaffe und das UN-Welternährungsprogramm einigten sich auf eine Prioritätenliste für eintreffende Flüge. Derzeit stünden die Trinkwasseraufbereitung, Logistik-Experten, Nahrungsmittel und medizinische Güter an oberster Stelle, teilten die Vereinten Nationen am Dienstag mit.

Zugleich stellte die US-Luftwaffe den Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft wieder ein, nachdem sich die haitianische Regierung beschwert hatte. Das Abwerfen von Hilfspaketen wird von Experten wegen der großen Streuverluste nur im äußerten Notfall empfohlen.

Und Frankreich schließlich bemühte sich, den Eindruck eines Konfliktes mit den USA zu vermeiden. Präsident Nicolas Sarkozy sagte in einer Erklärung am Dienstag, er sei «sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit» zwischen den beiden Ländern im Umgang mit der Krise in Haiti.