Die heikle Bergung der Atomfässer in Asse

"Es herrscht große Unsicherheit"

Tausende Abfallfässer, Massen von Giftstoffen, tonnenweise Atommüll - all das lagert im niedersächsischen Asse unter der Erde. Die Bürger sind erbost, denn Politiker haben lange geschwiegen. Im domradio-Interview spricht Beate Kallenbach-Herbert vom Öko-Institut Darmstadt über die Zukunft und Gefahren, die das Endlager mit sich bringt.

 (DR)

domradio: Es heißt Fässer sollen raus. Und zwar in den nächsten zehn Jahren, aber das ist offenbar noch gar nicht sicher. Wie ist der Stand der Dinge?
Kallenbach-Herbert: Leider ist man noch nicht soweit, dass man sagen kann: "Wir fangen sofort an, das alles rauszuholen und wir wissen auch schon genau, dass das in den nächsten zehn Jahren geht." Es herrscht noch große Unsicherheit darüber, in welchem Zustand die Fässer und auch Einlagerungskammern wirklich sind. Zuerst müssen Voruntersuchungen durchgeführt werden, dann kann man fragen: "Können wir das schaffen, alle Fässer und alle Abfälle da wieder rauszuholen. Und schaffen wir das auch in der notwendigen Zeit?" Momentan ist man eher noch in der Phase der Voruntersuchung.

domradio: Die Bewohner in der Region Wolfenbüttel waren davon ausgegangen, dass der Atommüll tatsächlich weggeschafft wird. So hört sich das aber von Ihnen gar nicht an: Es wird eine weitere Untersuchungsphase geben?
Kallenbach-Herbert: Genau! Man muss auf jeden Fall diese weitere Untersuchungsphase abwarten. Das Bundesamt für Strahlenschutz, hat in einer Presseerklärung dargestellt, dass es erstmal noch darum geht, eine Faktenerhebung aus den Einlagerungskammern zu machen und dann noch mal systematisch zu bewerten, ob man in Anbetracht der Unsicherheiten die Option des Rückholens noch hat. Unsicher ist auch, wie lange die Bergungen tatsächlich dauern. Diese zehn Jahre sind eine erste Schätzung, die nur dann zutrifft, wenn alles reibungslos verläuft und die Fässer noch in einem ordentlichen Zustand sind.

domradio: Es sind auch viele Fässer verrostet. Was wäre denn, wenn die eingelagerten Abfälle in einem deutlich schlechteren Zustand wären als erwartet?
Kallenbach-Herbert: Das würde natürlich die Bergung der Abfälle erheblich erschweren, wenn nicht im Zweifelsfall sogar unmöglich machen. Dann könnte man nicht mit ferngesteuerten Geräten an diese Abfälle heran fahren und die Fässer praktisch einzeln greifen, sondern müsste aufwändige Techniken entwickeln, um diese dann nicht mehr wirklich existenten Fässer aus den Kammern herauszuholen. Das ist nicht völlig unmöglich, würde aber mit Sicherheit erheblich länger dauern. Man muss sich auch folgende Fragen stellen: Wie sind die Zustände in den Kammern und auf der Basis? Und dann entscheiden: Können wir das machen oder nicht? Letztendlich geht es ja auch um den Schutz der Beschäftigten. Wenn die Zustände ganz schlecht wären und man vor Ort praktisch auch manuell arbeiten müsste, wäre das aus Sicht des Strahlenschutzes irgendwann auch nicht mehr zu verantworten.

domradio: Der Zustand der Fässer ist die eine Sorge. Eine schlimme Befürchtung ist auch, dass das Bergwerk einstürzt noch bevor der Atommüll überhaupt herausgeholt wurde. Welche Lösungen sehen Sie denn da?
Kallenbach-Herbert: Also ich denke das BFS (Bundesamt für Strahlenschutz) ist im Hinblick auf die Frage der Standsicherheit auf einem ganz vernünftigen Weg. Sie versuchen die Grube mit bergtechnischen Maßnahmen zu stabilisieren, um die Standsicherheit noch zu verlängern. Die aktuelle Prognose garantiert diese aber nur noch bis zum Jahr 2020. Das heißt nicht, dass das Endlager dann schlagartig einstürzt. Aber darüber hinaus kann im Moment niemand genaue Vorhersagen machen. Man muss aber immer damit rechnen, dass es einstürzt oder es einen großen Wassereinbruch gibt, was dann möglicherweise gravierende Folgen hat, wenn gerade viele Kammern geöffnet sind.

domradio: Bis wann kann denn die Bevölkerung mit einem Ergebnis rechnen?
Kallenbach-Herbert: Einen genauen Zeitplan vom Bundesamt für Strahlenschutz gibt es noch nicht, aber ich denke, dass man schon im Laufe dieses Jahres zu einer deutlich klareren Prognose kommen dürfte. Man wird dann sehen, ob eine Rückholung realistisch ist oder ob man sich anders orientieren muss.

domradio: Anders orientieren? Wie könnte das denn aussehen?
Kallenbach-Herbert: Wenn die Rückholung sich tatsächlich als unmöglich beweisen würde, wird aus meiner Sicht wahrscheinlich nur noch die Option der sogenannten Vollverfüllung bleiben. Das heißt, man füllt diese noch bestehenden Hohlräume mit einem Spezialbeton. Der weiterhin bestehende Porenraum würde dann mit einer sogenannten Magnesiumchlorid, also einer Salzlösung geflutet. Dieses Konzept wurde auch schon untersucht - mit dem Ergebnis, dass man noch einige Unsicherheiten beseitigen müsste.

Das Gespräch führte Monika Weiß.