Präses Schneider fordert "Ausstiegsszenario" für Afghanistan-Einsatz

Kein Abzug "Hals über Kopf"

Ein "realistisches Ausstiegsszenario" für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan fordert der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider. Ein solcher Plan müsse gemeinsam mit Vertretern der afghanischen Bevölkerung erarbeitet werden, sagte Schneider am Montag im domradio-Interview.

 (DR)

Ein Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan "Hals über Kopf" sei aber nicht zu verantworten, fügte der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vor der Landessynode der rheinischen Kirche in Bad Neuenahr hinzu.

Schneider verlangte eine offene und ehrliche Debatte in der ganzen Gesellschaft über die Rolle der Bundeswehr im In- und Ausland. Erst nach dem von einem deutschen Oberst angeforderten Bombardement entführter Tanklaster in der Nähe von Kundus sei vielen bewusst geworden, dass am Hindukusch im Namen des deutschen Volkes Krieg geführt werde: "In Afghanistan töten und sterben deutsche Soldaten."

Legitimität fraglich
Der Einsatz widerspricht nach Schneiders Auffassung zwar nicht grundsätzlich den Kriterien der EKD-Friedensdenkschrift, denn in Afghanistan wüteten Terroristen gegen das eigene Volk. Die Legitimität der militärischen Gewalt sei aber in Frage gestellt, weil es an klaren Zielsetzungen, einem umfassenden Konzept und einer Ausstiegsstrategie mangele, rügte der 62-jährige Theologe an der Spitze der zweitgrößten deutschen Landeskirche. Schneider bemängelte auch ein "Missverhältnis zwischen den Summen, die für den militärischen und die für den zivilen Einsatz aufgebracht werden".

Am Montagvormittag wollten die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in Berlin über den Bundeswehreinsatz sprechen, dafür wurde Vertraulichkeit vereinbart. Die Debatte über das deutsche Engagement am Hindukusch war durch Äußerungen Käßmanns zum Jahreswechsel neu entbrannt. Die EKD-Ratsvorsitzende hatte unter anderem in ihrer Neujahrspredigt dazu aufgerufen, dem Afghanistan-Konflikt vorrangig mit zivilen Mitteln zu begegnen. Ihre Aussagen hatten teils heftigen Widerspruch von Politikern hervorgerufen.