372 ehemalige Heimkinder nutzten bisher Telefon-Hotline

Nützliche Schnittstelle

Bei der Telefon-Hotline für ehemalige Heimkinder katholischer Einrichtungen haben sich innerhalb des ersten halben Jahres 372 Menschen gemeldet. Insgesamt habe es 642 telefonische Beratungsgespräche gegeben, teilte die Deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch in Bonn mit.

 (DR)

Mit dem Anfang Januar geschalteten Beratungsangebot will die katholische Kirche ehemalige Heimkinder bei der Aufarbeitung von leidvollen Erfahrungen in kirchlichen Heimen unterstützen. In den 1950er und 1960er Jahren waren etwa 300.000 Kinder und Jugendliche in katholischen Einrichtungen untergebracht.

Am Telefon können Betroffene mit therapeutisch und seelsorgerisch geschulten Beratern über ihre Erlebnisse während ihres Heimaufenthalts sprechen. Die Kirche erhalte durch die Schilderungen zudem authentische Hinweise über die tatsächlichen Verhältnisse in der damaligen Heimerziehung und die Anliegen der Betroffenen, so die Bischofskonferenz.

Körperliche Strafen und Züchtigungen
Fast 87 Prozent der Anrufer waren laut Angaben selbst in Heimen untergebracht, 76 Prozent nutzten die Hotline zur Aussprache. 21 Prozent wünschten die Vermittlung von Akteneinsicht, und 19 Prozent suchten nach einem Ansprechpartner, um ihre Biografie während ihres Heimaufenthaltes zu rekonstruieren. 17 Prozent der Anrufer baten um weitere Beratung, bei knapp 17 Prozent ging es um die Frage nach möglichen Entschädigungen.

Als Gründe für erlittenes Unrecht in Heimen gaben knapp 72 Prozent körperliche Strafen und Züchtigungen an, 56 Prozent sprachen von Abwertung ihrer Person, rund 45 Prozent kritisierten die rigide Disziplin und 42 Prozent klagten über Demütigungen. Fast 30 Prozent sprachen von einer Stigmatisierung als Heimkind. Rund 18 Prozent der Betroffenen gaben an, von Erwachsenen im Heim sexuell missbraucht worden zu sein, knapp 13 Prozent berichteten von sexuellen Übergriffen durch andere Heimkinder.
Erzwungene religiöse Praxis
25 Prozent der Anrufer klagten über die Erfahrung von erzwungener religiöser Praxis, und 31 Prozent schilderten eine Diskrepanz zwischen christlichen Werten und der täglichen Erziehungspraxis. Knapp sieben Prozent der Anrufer meldeten sich, um ausdrücklich von guten Erfahrungen in ihrer Heimkinderzeit zu erzählen.

Insgesamt habe sich gezeigt, dass die Hotline als hilfreiches Angebot wahrgenommen werde, so die Bischofskonferenz. Betroffene empfänden sie als nützliche Schnittstelle zu Institutionen wie Orden und Heimen. Die bundesweite Hotline für ehemalige Heimkinder ist ein Angebot der Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Erzbistum Köln im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz.

Hinweis: Die telefonische Hotline unter 0180 4100 400 ist montags, mittwochs und freitags von 9.00 bis 18.00 Uhr erreichbar.