Mindestens sieben Tote bei Angriff auf Christen in Ägypten - Unruhen befürchtet

Morde nach Mitternachtsmesse

Nach einem Anschlag auf Christen sind im Süden Ägyptens Unruhen ausgebrochen. Der arabische Sender Al Dschasira berichtete am Donnerstag von Zusammenstößen zwischen etwa 2.000 Christen und der Polizei. In dem Ort Nag Hammadi waren in der Nacht mindestens sechs koptische Christen und ein muslimischer Wachmann nach einer Weihnachtsmesse erschossen worden.

 (DR)

Nach dem blutigen Anschlag kam es zu wütenden Protesten der christlichen Bevölkerung. Wie der arabische Sender El Dschasira auf seiner englischsprachigen Webseite meldete, entzündeten sich in Nag Hammadi Auseinandersetzungen zwischen mehreren hundert Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Polizei trieb die Menge demnach mit Tränengas und Wasserwerfern auseinander, berichtete der Sender unter Berufung auf Polizeiangaben.

Den Berichten zufolge handelt sich um einen Racheakt von Muslimen für eine angebliche Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens durch einen Christen. Laut El Dschasira protestierten die Familien der getöteten Christen vor der Leichenhalle eines Krankenhauses in Nag Hammadi. Sie hätten sich geweigert, ihre ermordeten Angehörigen zur Bestattung in Empfang zu nehmen, und ein Eingreifen der Regierung gefordert.

El Dschasira zufolge hatte der koptische Ortsbischof Kyrillos im Vorfeld Drohungen erhalten. Laut weiteren Berichten war es bereits unmittelbar nach der angeblichen Vergewaltigung im November zu Übergriffen von Muslimen gegen Christen gekommen. Dabei seien Kirchengebäude in Brand gesteckt und beschädigt worden. Die Polizei habe den Bischof aufgefordert, seine Wohnung aus Sicherheitsgründen nicht zu verlassen.

Der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Kairo, Monsigniore Joachim Schrödel, warnte davor, den Anschlag als Zeichen einer allgemeinen Eskalation zwischen Christen und Muslimen in Ägypten zu bewerten. «Wir sind im interreligiösen Verhältnis eigentlich auf einem guten Weg», sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Anzeichen für einen Flächenbrand sehe er zumal in den Metropolen Kairo und Alexandria nicht. Viele Muslime hätten spontan ihr Bedauern über den Angriff ausgedrückt.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), bei der ägyptischen Regierung auf den Schutz der christlichen Bevölkerung zu drängen. «Statt Gerüchte über die Beweggründe der Täter in die Welt zu setzen, die christliche Glaubensgemeinschaft so zu diffamieren und Muslime gegen sie aufzuwiegeln, muss Kairo endlich konkrete Sicherheitsmaßnahmen für die bedrohte Minderheit ergreifen», erklärte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido in Göttingen.


Koptischer Bischof: Christen leben in Ägypten immer gefährlicher
Die Situation der Christen hat sich in Ägypten in den vergangenen Jahren verschärft. Immer häufiger komme es zu Übergriffen von radikalen Muslimen, beklagte der Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Anba Damian, Ende des Jahres in einem Gespräch mit dem internationalen Hilfswerk "Kirche in Not". Die Gesellschaft nähere sich zunehmend dem konservativen Islam an. Problematisch sei die große Zahl der Analphabeten. So erhielten die meisten Muslime ihre politische Bildung beim Freitagsgebet.

Predige der Imam friedlich, verließen die Menschen entsprechend die Moschee, sagte Damian. Würden sie aufgehetzt, stelle sich die Situation anders dar. Der Bischof kritisierte auch das Verhalten der Sicherheitsbeamten und Behörden. Manchmal dauere es drei Monate, bis koptische Bischöfe einen Termin bekämen, um mit dem örtlichen Gouverneur über die Angriffe zu sprechen. Schneller gehe es, wenn sie sich an Präsident Hosni Mubarak wendeten. Doch sie wollten ihre Rechte nicht durch dessen Gnade bekommen, sondern durch das Gesetz.

Die Religionsfreiheit müsse in Ägypten ernster genommen werden, forderte Damian. Die Regierung sollte diese garantieren, sich aber sonst aus religiösen Angelegenheiten heraushalten. Ihre Aufgabe sei stattdessen die Bekämpfung von Armut, Ignoranz und Krankheiten. Nach den Worten des Generalbischofs werden Christen in der Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Zudem stehe der Bevölkerungsanteil der Kopten in keinem Verhältnis zu ihrer Vertretung in der Politik.

Kopten in Ägypten
Die Kopten sind die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten. Sie führen ihre Anfänge auf den Evangelisten Markus zurück. Je nach Statistik machen die koptischen Christen zwischen 6 und 15 Prozent der 80 Millionen Einwohner aus. Doch im Parlament sitzen nur vier Kopten unter den 440 Abgeordneten. In Deutschland gibt es acht koptisch-orthodoxe Gemeinden mit insgesamt rund 6.000 Mitgliedern.

Zusammen mit Armeniern, Syrern und Äthiopiern gehören die Kopten zu den so genannten Altorientalischen Kirchen. Wegen theologischer Streitigkeiten entfernten sie sich nach dem Konzilvon Chalkedon im Jahre 451 von der übrigen Christenheit. Das Konzil hatte die Lehre vertreten, dass Christus zugleich Gott und Mensch war. Die Altorientalen legten dagegen den Akzent eindeutig auf die göttliche Dimension Christi.

Seit damals entwickelten sich in Alexandrien, einem der wichtigsten Zentren der frühen Kirche, parallel zwei Kirchen mit zwei Bischofssitzen: Neben dem koptischen Patriarchat gibt es ein griechisch-orthodoxes Patriarchat. Hinzu kommen die mit Rom verbundenen katholischen Kopten, die rund 200.000 Mitglieder zählen. Im Zuge der ökumenischen Öffnung und des Zweiten Vatikanischen Konzils nahmen Katholiken und Kopten einen theologischen Dialog auf. 1973 unterzeichneten die Päpste Paul VI. und Schenuda III. in Rom eine Übereinkunft, in der beide Kirchen den gleichen Glauben - trotz unterschiedlicher Formulierungen - bekennen. Umstritten bleibt die Stellung des Bischofs von Rom.