Käßmann weist Kritik wegen Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz zurück

Zu einseitig?

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Margot Käßmann, hat Kritik an ihren Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zurückgewiesen. "Wer meine Neujahrspredigt liest, sieht glasklar, dass dort kein sofortiger Abzug deutscher Streitkräfte aus Afghanistan gefordert wurde", sagte sie am Sonntag dem epd in Hannover auf Anfrage. Die katholische Amtskirche hat sich bislang in der Debatte über einen Abzug der Bundeswehr zurückgehalten.

Bischöfin Margot Käßmann: Nicht nur Rückenwind (epd)
Bischöfin Margot Käßmann: Nicht nur Rückenwind / ( epd )

Käßmann erklärte in ihrer Reaktion, in der evangelischen Kirche gebe es die Sorge, «dass die Militarisierung durch Truppenverstärkung voran schreitet, ohne dass die zivilen und politischen Friedensoptionen klar gestärkt werden.» In der Friedensdenkschrift der EKD «Aus Gottes Frieden leben» von 2007 heiße es: «Die militärische Komponente ist strikt auf die Funktion der zeitlich limitierten Sicherung der äußeren Rahmenbedingungen für einen eigenständigen politischen Friedensprozess vor Ort zu begrenzen».

«Unsere Pfarrerinnen und Pfarrer begleiten Soldatinnen und Soldaten im Einsatz vor Ort. Sie wissen, welche Traumata bei ihnen entstehen. Auch deshalb halten wir eine klare Exit-Strategie für notwendig», unterstrich die Bischöfin der größten deutschen evangelischen Landeskirche. «Als Bischöfin halte ich mich fern von parteipolitischen Optionen und eine Predigt ist keine Bundestagsrede.» Dass die evangelische Kirche die biblische Aufforderung «Selig sind, die Friedfertigen» ernst nehme, könne kaum erstaunen. Käßmann: «Deshalb sage ich: Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden und alternative zivile Optionen der Konfliktbewältigung.»

Käßmann hatte zu Beginn des neuen Jahres zu einem Friedenszeugnis in der Welt aufgerufen. Gegen Gewalt und Krieg aufzubegehren, brauche «den Mut, von Alternativen zu reden» und sich dafür einzusetzen, sagte die hannoversche Bischöfin in der Dresdner Frauenkirche. In Afghanistan schafften Waffen «offensichtlich auch keinen Frieden». Für den Frieden und die Bewältigung der Konflikte seien «ganz andere Formen» nötig.

Der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose bezeichnete die Predigt als «problematisch». Käßmann habe sich nicht als Privatperson, sondern in ihrer Funktion als EKD-Ratsvorsitzende geäußert. «Sie hat sich mit ihrer Äußerung in Gegensatz zur Mehrheit des Bundestages gesetzt.» Käßmann vertrete «die Position der Linkspartei» und habe unrecht: «Wenn die internationale Gemeinschaft in Afghanistan scheitert, würde das mit Sicherheit zu einer neuen Welle terroristischer Anschläge führen.»

Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, erklärte: «Frau Käßmann macht es sich zu einfach, wenn sie die Botschaft vermittelt, man könne sich kurzfristig aus Afghanistan zurückziehen, ohne sich schuldig zu machen.» Schuldig würde man in einem solchen Fall an den Afghanen, die sich auf Deutschland verließen, aber auch an den 43 anderen Staaten, die sich in Afghanistan für die internationale Sicherheit engagierten, sagte Polenz der «Welt am Sonntag».

Das Vorstandsmitglied der den Grünen nahe stehenden Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, warf Käßmann in einem offenen Brief vor, sie vermehre die «Inflation politischer Stellungnahmen von Kirchenoberen, die selten über gut gemeinte Banalitäten hinauskommen». Fücks: «Was mich allerdings gegen Kirchenfunktionäre aufbringt, ist die zur Routine gewordene Unart, im Brustton der höheren Moral politische Handlungsanweisungen zu erteilen.» Protestantische Verantwortungsethik ernst zu nehmen hieße deshalb, Kriterien für einen legitimen Bundeswehreinsatz aus der Sicht der Kirche zu diskutieren.

Katholische Kirche fordert «offene und ehrliche Debatte»
Der katholische Militärbischof Walter Mixa forderte zum Jahreswechsel klare Vorgaben der Politik und eine «offene und ehrliche Debatte» über den Auftrag der Soldaten. «So wie die Situation sich jetzt zeigt, kann man nicht nur von einem Stabilisierungseinsatz sprechen», sagte der Augsburger Bischof. «Es herrschen in weiten Teilen des Landes kriegsähnliche Zustände.»

Die politisch Verantwortlichen müssten die Frage klären, ob der Einsatz in Afghanistan wirklich gerechtfertigt sei, fügte der Bischof hinzu. «Der Einsatz kriegerischer Mittel ist nach kirchlicher Lehre immer eine Niederlage der Menschheit und nur unter sehr engen Bedingungen überhaupt vertretbar.»

Die katholische Friedensbewegung pax christi wird noch deutlicher: Sie fordert seit langem eine Exitstrategie für Afghanistan mit einem festen Zeitrahmen für den Abzug deutscher Truppen vom Hindukusch.