Katholische Kirche will Dialog mit Austrittswilligen und Ausgetretenen suchen

Verlorene Schäfchen nicht aufgeben

Die katholische Kirche will künftig offensiver auf die Zahl von Kirchenaustritten reagieren. Man werde stärker auf Ausgetretene zugehen; auch nicht Getaufte sollten angesprochen und "zum christlichen Glauben eingeladen" werden, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Dienstag in Freiburg.

 (DR)

Ein Forschungsprojekt soll die Beweggründe für die Austritte untersuchen. «Auf dieser Basis wollen wir neue Strategien entwickeln.» Im vergangenen Jahr hatten insgesamt 121.000 Mitglieder der katholischen Kirche den Rücken gekehrt. Aus der evangelischen Kirche traten 160.000 Menschen aus.

Dem «Westfälischen Anzeiger» in Hamm sagte Zollitsch, es liege an der Kirche selbst, ihre Bindekraft wieder zu stärken. Letztlich suchten die Menschen Halt, Bindung und Orientierung in einer schnelllebigen und unübersichtlichen Welt. Dies könne die Kirche anbieten, «wenn wir unsere Botschaft in besser verständlicher Weise vermitteln», so der Freiburger Erzbischof. Dazu brauche es eine Sprache, die möglichst jeder verstehe. Das bedeute keinesfalls eine Anpassung an den Zeitgeist, «sondern ein Prägen der Zeit durch den Geist des Evangeliums».

Der Glaube lebe in der Gemeinschaft und aus der Gemeinschaft heraus, so Zollitsch. Deshalb sei es tragisch, wenn Religion auf eine Privatsache reduziert würde. Der Glaube dürfe nicht zurückgezogen und allein gelebt werden. Aufgabe der Kirche sei es, Räume anzubieten, in denen sich der Glaube feiern und miteinander teilen lasse. Auch das gehöre zur Bindekraft der Kirche. «Das Plus unserer Botschaft im Glauben sollten wir stärker betonen, um dadurch positiv für die Kirche zu werben.»

Zollitsch wandte sich gegen eine Abschaffung der Kirchensteuer. Das Kirchensteuersystem habe sich über Jahrzehnte bewährt. «Gäbe es die Kirchensteuer nicht, müssten wir uns aus zahlreichen Aktivitäten etwa im karitativen Bereich verabschieden, die dann andere, zum Beispiel der Staat, zu übernehmen gezwungen wären», sagte der Erzbischof.

Forderung nach einer Ethiksteuer
Der Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Blum will mit einer Ethiksteuer die Austrittswelle aus der Kirche bremsen. In der «Bild»-Zeitung (Dienstag) forderte der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle: «Wer aus der Kirche austritt und keine Kirchensteuer zahlt, sollte eine andere Abgabe an eine soziale Einrichtung wie das Rote Kreuz entrichten.» Der Steuerzahlerbund bezeichnete den Vorschlag als «Schnapsidee». Auch der Steuerexperte im Sachverständigenrat der Bundesregierung, Wolfgang Wiegard, lehnte eine eigene Steuer für Nicht-Kirchenmitglieder ab. Eine solche Steuer gehöre nicht zu den vordringlichen finanzpolitischen Themen, sagte Wiegard der «Rheinischen Post» (Mittwoch).

Blum schlug eine «Ethiksteuer nach italienischem Vorbild vor». Der Satz für diese Steuer könne sieben Prozent der Lohn- und Einkommenssteuer betragen. Damit ließe sich die Zahl der Kirchenaustritte möglicherweise bremsen und ein Trittbrettfahrerverhalten unterbinden. «Schließlich nehmen auch Nicht-Kirchensteuerzahler häufig soziale Dienste oder Seelsorger in Anspruch», sagte Blum.

Der Hauptgeschäftsführer des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, sagte dazu der «Leipziger Volkszeitung» (Mittwoch), wer unter dem Deckmantel der Steuergerechtigkeit eine neue Steuer einführen wolle, der «landet immer ein Eigentor». Diese Vorschläge gingen an der Realität einer notwendigen Steuerentlastung der Bürger vorbei und seien deshalb komplett überflüssig. «Bei einer Einkommensbelastungsquote von über 50 Prozent in Deutschland gibt es akuten Handlungsbedarf zur Entlastung und nicht zur neuen Belastung», so Holznagel.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) rechnet laut «Bild»-Zeitung wegen der Wirtschaftskrise in diesem Jahr mit einem deutlichen Einbruch der Kirchensteuereinnahmen. Der Rückgang gegenüber 2008 werde bei acht bis neun Prozent liegen, zitiert das Blatt einen EKD-Sprecher. Auch die katholische Kirche rechnet mit Mindereinnahmen für 2009. Er erwarte ein Minus bis zehn Prozent, hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, mehrfach erklärt.