Wirtschaftswissenschaftler spricht sich für "Ethik-Steuer" auf Kirchenaustritte aus

Sozial ist, wer mitzahlt

Der Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Blum will mit einer Ethiksteuer die Austrittswelle aus der Kirche bremsen. In domradio-Interview fordert der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle: "Wer keine Kirchensteuer zahlt, sollte eine andere Abgabe an eine soziale Einrichtung entrichten."

 (DR)

domradio: Herr Blum, dass die Kirchen sich da zu Wort melden und ihre Not kundtun, das ist nicht gar so selten. Dass sich aber ein Wirtschaftswissenschaftler dazu äußert, das dann eher doch. Warum ist ihnen das ein Anliegen?
Blum: Weihnachten regt solche Gedanken an. Vor allem aber erlebe ich in seinem Umfeld ständig, dass Familien der Kirche austreten - die Infrastruktur aber weiterhin nutzen. Beispielsweise wenn Eltern ihre Kinder auf die oftmals besseren kirchlichen Kindergärten schicken. Die Unterstützung, die der Staat hier gewährt, macht nur Anteile der echten Kosten aus.
Wer als Atheist nicht in der Kirche sein will, soll ruhig austreten. Aber er sollte um gewisse Lasten nicht herumkommen können, die er trotzdem kostenfrei beziehen kann.

domradio: Wie sollen die Abgaben aussehen für diejenigen, die aus der Kirche ausgetreten sind und keine Kirchensteuer zahlen?
Blum: Das könnte man nach italienischem Muster machen, in der Einkommenssteuer einfach ein Kästchen anzukreuzen, vom Rotem Kreuz und dem Arbeitersamariterbund bis zur Stiftung Denkmalpflege, die Kategorien, die als förderwürdig angesehen werden.

domradio: Was leistet diese Steuer dort in Italien?
Sie finanziert zum Beispiel eine ganze Reihe von karitativen Einrichtungen. Blum: Das kann aber auch Umweltschutz sein. Es ist der Versuch zu verhindern, dass mit immer mehr Kirchenaustritten Zahlungsfähiger das System immer mehr schrumpft. Und am Ende muss der Staat die Aufgabe übernehmen. Denn es ist ja nicht so, dass die Sachen nicht bezahlt werden müssen. Das ist ja der Irrtum. Es ist nur die Frage, von wem sie bezahlt werden. Wer ein Interesse daran hat, dass der Staatsanteil nicht zu groß wird, muss die Subsidiarität auch wollen, und ein wesentlicher Träger sind hier die Religionsgemeinschaften.

domradio: Die Kirche muss mit der Wirtschaftskrise mit einem enormen Einbruch an Kirchensteuer im kommenden Jahr rechnen, welche Rolle spielt das, wenn sie diese Forderung in die Gesellschaft erheben?
Blum: Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der Einkommenssteuer zahlt, an den sieben oder acht Prozent Kirchen- oder Ethikssteuer zugrunde geht. Und wenn er das tut, muss der Staat einspringen. Das tut er ja auch, wenn sonst Einkommen fehlt. Man sollte immer daran denken, dass diese Leistungen ja in der Regel auch vor Ort erbracht werden.