Kanzlerin sieht Klima-Verhandlungen auf der Kippe

Gipfel-Krimi in Kopenhagen

Dramatik beim Weltklimagipfel: Nach einem Rückschlag bei den Verhandlungen haben Minister und Regierungschefs am Donnerstag händeringend versucht, wieder Bewegung in die Gespräche zu bringen. US-Außenministerin Hillary Clinton kündigte Milliardenhilfen für Klimaschutz in Entwicklungsländern an.

 (DR)

In der Nacht war der Versuch der dänischen Konferenzleitung, einen Entwurf für das Abschlussdokument einzubringen, am Widerstand Chinas sowie weiterer Schwellen- und Entwicklungsländer gescheitert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte eindringlich vor einem Scheitern des Gipfels.

In den Hauptstreitpunkten war bis Donnerstagnachmittag keine Annäherung in Sicht. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sprach von einer «Krisensituation der Verhandlungen». China als größter CO2-Produzent der Welt wehrt sich vor allem gegen verpflichtende Ziele zur Reduktion seiner Treibhausgasen. Die USA sind nicht bereit, sich vertraglich auf eine weitreichende Senkung ihrer Emissionen festzulegen.

Die Verhandlungen wurden am Donnerstag auf der Basis der beiden Arbeitsgruppen-Entwürfe weitergeführt, die schon am Mittwoch vorgelegt worden waren. Die Gespräche sollten, falls nötig, die Nacht hindurch fortgesetzt werden. Ziel ist, zum Abschluss des Gipfels an diesem Freitag eine Beschlussgrundlage für die mehr als 120 Staats- und Regierungschefs zu erarbeiten.

Merkel mahnte in Kopenhagen die Staatengemeinschaft, in den nächsten 24 Stunden alles zu tun, um den Gipfel zu einem guten Ergebnis zu führen. Ein Misserfolg wäre ein «schreckliches Signal für alle, die unserer Welt im 21. Jahrhundert eine gute Zukunft geben wollen», sagte die Bundeskanzlerin in ihrer Rede vor den Vertretern von 193 Ländern.

Merkel appellierte auch an die Schwellenländer, sich in einem internationalen Abkommen verbindlich zu Klimaschutz-Maßnahmen zu verpflichten. Dabei gehe es zunächst nicht um eine Reduktion des CO2-Ausstoßes, sondern um eine Verbesserung der Energieeffizienz. Zuvor hatte Merkel in einer Regierungserklärung im Bundestag das Ziel bekräftigt, dass die Erderwärmung zwei Grad Celsius nicht übersteigen dürfe.

US-Außenministerin Hillary Clinton stellte Milliarden-Hilfen für arme Länder in Aussicht. Die USA seien bereit, bis 2020 gemeinsam mit anderen Staaten 100 Milliarden US-Dollar jährlich aufzubringen. Konkrete Zahlen zum Beitrag der USA nannte sie nicht. Die Klima-Hilfen müssten im Rahmen eines «starken Abkommens» aller großen Wirtschaftsnationen aus staatlichen und privaten Quellen mobilisiert werden. Als Empfänger nannte sie die ärmsten und die am meisten bedrohten Staaten.

Bundeskanzlerin Merkel begrüßte die Ankündigung und sprach von einem «wichtigen Schritt zu langfristigen Zusagen» der USA. Die Finanzierung von Klima-Maßnahmen in Entwicklungsländern gehört zu den Hauptstreitfragen der Konferenz. Der Präsident der Umweltstiftung WWF, Carter Roberts, erklärte: «Außenministerin Clintons 100-Milliarden-Dollar-Überraschung haucht den stockenden Verhandlungen neues Leben ein.»

Papst Benedikt XVI. in Rom rief die Teilnehmer der Klimakonferenz auf, auf «mutmaßliche kurzfristige Vorteile zugunsten von langfristigem Nutzen für die gesamte internationale Menschenfamilie» zu verzichten. Die Politiker müssten «Mut und Opferbereitschaft» aufbringen, um die Schöpfung für künftige Generationen zu bewahren.

Zum schwierigen Verlauf der Klima-Verhandlungen sagte Röttgen, China habe sich die Verunsicherung der Entwicklungsländer zunutze gemacht. Die armen Staaten befürchten, dass unter der dänischen Präsidentschaft ein Abkommen angestrebt wird, dass weniger verpflichtende Ziele für Industriestaaten vorschreibt als unter dem 2012 auslaufenden Kyoto-Protokoll.