Debatte um Ökonomie-Wissen der Kirchen

"Wirtschaft braucht Werte"

Ist die Wirtschaftskompetenz der Kirchen wirklich zu gering? Der frühere ZEIT-Chefredakteur Roger de Weck sagt Ja. Und auch Markus Herzberg, selber evangelischer Pfarrer - und Unternehmensberater. Im domradio-Interview spricht er über den Zusammenhang von Kirche und Kapitalismus und Werten und Wirtschaft.

 (DR)

domradio: Herr Herzberg, Sie sind evangelischer Pastor und Unternehmensberater zugleich. Besitzt die Kirche denn aus ihrer Sicht zu wenig oder ausreichend Wirtschaftskompetenz?
Herzberg: Aus dem Bauch heraus tendiere ich dazu zu sagen: Sie hat zu wenig Wirtschaftskompetenz. Und wenn ich an Herrn De Weck denke, dann zeigt das ja auch, dass die Menschen nicht zu allererst als Ansprechpartner in dieser Frage sehen.

domradio: Warum nicht?
Herzberg: Nicht die Kirchen, weil es in der Vergangenheit eher so war, dass sich Kapitalismus und Kirche konträr gegenüber standen. Eine Art Feindschaft, bei der die Kirche der Wirtschaft gegenüber eher ermahnend gegenüber stand, aber nicht als Partnerin.

domradio: Warum haben die beiden dennoch Wichtiges miteinander zu tun?
Herzberg: Weil beide voneinander profitieren und sich gegenseitig bereichern können. Auch die Kirche benötigt Kapital, auch die Kirche muss wirtschaftlich handeln, und die Wirtschaft braucht Werte, mit denen sie arbeiten kann.

domradio: Muss die Kirche ihr Ökonomiewissen stärken? Müssen die Diakone, Priester und Bischöfe zukünftig wieder die Schulbank drücken?
Herzberg: Ich fände es sehr attraktiv, wenn die Deutsche Bischofskonferenz ein Seminar bei mir besuchen würde. In der Ausbildung zum Pfarrer lernen wir eine ganze Menge. Aber aus meiner eigenen Perspektive kann ich sagen, dass das Wirtschaftswissen nicht gerade das ist, was den Schwerpunkt meiner Ausbildung ausgemacht hat. Und trotzdem müssen ja Pfarrer und erst recht die Bischöfe oder Kirchenpräsidenten in den Gemeinden und Bistümern sehr wirtschaftlich planen und auch in Zukunft damit bestehen müssen.

domradio: Gehen wir mal davon aus, dass sich die Kirchenführung mit Wirtschaftsthemen befasst hat: wie kann sie denn dann in Krisenzeiten zur Problemlösung beitragen?
Herzberg: Zu allererst müssen es die Kirchen wieder schaffen, als Gesprächspartner für diese Fragen gesehen werden, gefragt werden und nicht mehr nur noch diese moralisierende und ermahnende Art haben, sondern wirklich helfende Kirchen sind, die zeigen: Hier haben wir Werte, die wir euch an die Hand geben und wir zeigen euch auch, wie man das in ein wirtschaftliches Unternehmen integrieren kann.

domradio: Sie selbst beraten mit einem Partner auch Unternehmen und trainieren Führungskräfte mit Hilfe der Bibel. Wie muss ich mir das vorstellen?
Herzberg: Wenn sie die Bibel in die Hand nehmen und direkt zu Anfang sich eine Geschichte ansehen, nämlich den guten Moses, dann kann man sich fragen, was hat der denn gemacht? Er, der 40 Jahre lang ein Volk ganz erfolgreich geführt hat? Das gucken wir uns mit Führungskräften auch an und überlegen, welche Führungseigenschaften Moses zum Beispiel hat, die ich auf mein eigenes Führungshandeln transportieren oder überschreiben kann.

domradio: Welche können das sein?
Herzberg: Ein Beispiel: Moses wollte ja am Anfang gar nicht so gerne diese Führungsaufgabe von Gott übernehmen. Und ich denke, das ist ein Punkt, den man bei Führungskräften auch mal selbstreflektierend untersuchen kann: Habe ich als Führungskraft denn nicht auch manchmal Zweifel oder auch Angst vor dieser Führungsaufgabe? Und gehört nicht manchmal auch ein bisschen Demut zu so einer Rolle dazu?

domradio: Sie haben im Frühjahr am "Kongress christlicher Führungskräfte" in Düsseldorf teilgenommen. Was haben Sie aus dieser Veranstaltung für die Kirchen gelernt?
Herzberg: Die Resonanz zu dem Thema war unglaublich groß, jedes Jahr steigen die Besucherzahlen an. Und es haben Wirtschaftsleute wie Herr Hipp oder Herr Deichmann und Kirchenvertreter wie Kardinal Meisner oder Präses Schneider gezeigt, dass ein Dialog möglich ist. Und Menschen wie Herr Hipp zeigen ja auch, wie wunderbar es klappen kann, wenn man christliche Werte in der Unternehmenskultur integriert. Und dass man damit erfolgreich sein kann. Wirtschaftlichkeit und Werte schließen nicht einander aus.