Bundespräsident Köhler beendet Italien-Besuch mit Papst-Audienz

Politisches und Klassisches

Der Papst hat den Fall der Berliner Mauer und das deutsche Grundgesetz als Ereignisse der Freiheit gewürdigt. Benedikt XVI. äußerte sich am Freitagabend bei einem Konzert in der Sixtinischen Kapelle, an dem auch Bundespräsident Horst Köhler teilnahm. Der würdigte in seiner Rede den Beitrag von Johannes Paul II. zur friedlichen Wende 1989. Beide trafen sich am Samstag erneut.

 (DR)

Bei dem Konzert am Freitagabend bezeichnete der Papst den Mauerfall als "unerwartete Morgenröte der Freiheit nach einer langen durchlittenen Nacht der Gewalt und Unterdrückung durch ein totalitäres System". Die Geschichte der Bundesrepublik sei ein Beweis für die Vorzüge der westlichen Gesellschaftsordnung gegenüber dem Kommunismus. Dies sei vor allem dem Grundgesetz zu verdanken.

Anlass war der 60. Jahrestag der Gründung der Bundesrepublik Deutschland sowie der 20. Jahrestag des Mauerfalls. Auf dem Programm standen die Kantaten I bis III aus dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Bei dem Konzert traten die Augsburger Domsingknaben und das Residenz-Kammerorchester München auf.

"Heute fragen sich manche, ob die westliche Gesellschaftsordnung denn so viel besser und menschenfreundlicher ist", sagte Benedikt XVI. in seiner auf Deutsch gehaltenen Rede mit Blick auf die früheren Ostblock-Staaten. "In der Tat ist die Geschichte der Bundesrepublik der Beweis dafür." Das Grundgesetz mit seinem Gottesbezug, dem Schutz der Menschenwürde, der Achtung von Ehe und Familie sowie die Ehrfurcht vor der religiösen Überzeugung der Mitbürger habe wesentlich zur friedlichen Entwicklung Deutschlands in den vergangenen sechs Jahrzehnten beigetragen.

Köhler: Appelle von Johannes Paul II. ermutigten
Bundespräsident Köhler würdigte in seiner Rede den Beitrag von Johannes Paul II. zur friedlichen Wende 1989. Die Appelle dieses Papstes seien eine "große Ermutigung" für die Freiheitsbewegungen in Mittel- und Osteuropa gewesen. Ferner erinnerte Köhler an die Verdienste des Papstes aus Polen um die deutsch-polnische Versöhnung. Das Vorbild Johannes Paul II. sehe er als persönliche Verpflichtung an, die Zusammenarbeit und Versöhnung zwischen den beiden Nachbarländern weiter voranzubringen.

Der Papst rief die Deutschen auf, "am Aufbau einer freien und sozialen Gesellschaft weiter mitzuarbeiten". Er erinnerte an die christliche Überzeugung vieler Gründerväter der Bundesrepublik. Diese hätten in der Verantwortung vor Gott gehandelt und so die europäische Versöhnung möglich gemacht.

Herausforderungen der Globalisierung  
Am Samstag empfing Benedikt XVI. Horst Köhler in Audienz. Im Mittelpunkt der 20-minütigen Begegnung standen die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise und deren Herausforderungen für die Gestaltung der Gesellschaft, wie Köhler anschließend vor Journalisten sagte. Es müsse deutlich werden, dass die von allen gewollte Freiheit auch Bindung in der Verantwortung brauche. Dies müsse bei eine Neuordnung der internationalen Wirtschaft und Finanzen berücksichtigt werden. Köhler würdigte die jüngste Sozialenzyklika des Papstes, in der Benedikt XVI. diese Zusammenhänge aufgezeigt habe. Sie schaffe eine wichtige Grundlage für die Diskussion für eine bessere Welt, betonte der Bundespräsident.

«Es war ein sehr gutes Gespräch», sagte er Präsident, der anschießend auch über eine halbe Stunde lang mit Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone konferierte. Dabei sei es auch um die Zukunft der Europäischen Union gegangen. «Der Papst macht deutlich, dass wir unseren Blick weiten müssen über die EU hinaus auf die Frage von Gerechtigkeit und Frieden in der ganzen Welt. Und dass Armut, Hunger und Ausbeutung Gefahren für die Welt und die Menschheit sind.» Die Papstbesuche in Afrika sowie im Nahen Osten und auch seine Sozialenzyklika seien Mahnungen zum Nachdenken darüber, «wie wir die Globalisierung so gestalten können, dass Frieden herrscht und am Ende auch alle Menschen die Chance haben, ein gutes Leben zu führen».

Kurz nach 11 Uhr begrüßte der Papst das deutsche Staatsoberhaupt an der Schwelle zu seiner Privatbibliothek. «Ich hoffe, sie haben gut geschlafen», meinte der Präsident mit Blick auf das Konzert, das sie am Vorabend gemeinsam in der Sixtinischen Kapelle gehört hatten. «Ich dachte, ich würde vom Weihnachtsoratorium träumen, aber das war nicht der Fall», antwortete Benedikt XVI. schmunzelnd.

Er habe gespürt, dass es dem Papst guttue, «wenn ihm vermittelt wird, dass die Deutschen positiv an ihn denken», sagte Köhler bei der Begegnung mit der Presse. «Und wir denken positiv an ihn, wenn wir sehen, welche gewaltige Aufgabe und Verantwortung er wahrnimmt.» Benedikt XVI. habe eine starke Bindung an sein Vaterland, auch wenn er natürlich Oberhaupt der katholischen Weltkirche sei.

Das Thema eines weiteren Deutschlandsbesuchs habe er nicht in den Vordergrund gestellt, erklärte Köhler. Der Papst wisse, «dass wir uns alle in Deutschland freuen würden, wenn er wieder mal zu Besuch nach Hause kommt. Aber das überlassen wir seiner Entscheidung.» Der Bundespräsident verabschiedete sich beim Verlassen der päpstlichen Privatbibliothek mit den Worten: «Bis zu nächsten Mal».