Karlsruhe entscheidet für den Sonntagsschutz - Erfolg für die Kirchen

"Überrascht und voller Freude"

Das Bundesverfassungsgericht hat die Öffnung von Einzelhandelsgeschäften in Berlin an Adventssonntagen untersagt. Die Berliner Regelung von 2006 verletze das Recht auf Religionsfreiheit und verstoße gegen den Sonntagsschutz des Grundgesetzes, urteilte das höchste deutsche Gericht am Dienstag in Karlsruhe. Das Gericht entsprach damit teilweise den Verfassungsbeschwerden der evangelischen und der katholischen Kirche. Diese zeigen sich erfreut über das Urteil.

 (DR)

Allerdings dürfen die Läden an den drei verbleibenden Adventstagen dieses Jahres noch öffnen. Das Verbot verkaufsoffener Adventssonntage greift erst ab 2010. Die Kirchen und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßten die Entscheidung.

In der Bundeshauptstadt durften die Geschäfte seit 2006 an bis zu zehn Sonntagen zwischen 13 und 20 Uhr öffnen, darunter an allen vier Adventssonntagen. Diese Regelung unterschreite ohne hinreichende Gründe das gebotene Mindestmaß des Sonntagsschutzes, argumentierten die Verfassungsrichter. Nach dem sogenannten Kirchenartikel 139, der aus der Weimarer Verfassung ins Grundgesetz übernommen worden war, sind Sonntage grundsätzlich Tage der "Arbeitsruhe" und der "seelischen Erhebung".

"Das gesetzliche Schutzkonzept für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe muss diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben", sagte Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier. Bloße wirtschaftliche Interessen der Geschäftsinhaber und Käuferinteressen genügten grundsätzlich nicht, um die Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise zu erlauben. Die Freigabe eines geschlossenen Zeitblocks von etwa einem Zwölftel des Jahres sei nicht mit dem Schutz der Sonntagsruhe vereinbar.

Der Sonntag sei nicht allein aus religiösen Gründen geschützt, argumentierte das Gericht. Als grundsätzlicher Tag der Arbeitsruhe sei der Sonntag eine wesentliche Grundlage dafür, dass die Menschen sich erholen und ihr soziales Zusammenleben organisieren könnten.

Positive Reaktionen
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat die Entscheidung begrüßt. «Das Urteil hat den Sonntag gestärkt und unterstrichen, dass dieser Tag ein hohes Kulturgut für die gesamte Gesellschaft ist», sagte der Freiburger Erzbischof der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. «Der Sonntag trägt maßgeblich zur Qualität menschlichen Zusammenlebens bei.» Die christliche Feiertagskultur in Deutschland sei gestärkt worden.

Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky sagte, "es hätte eigentlich nicht besser kommen können". Er sei "überrascht und voller Freude". Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, sagte: «Unsere Gesellschaft braucht Atempausen für die Familie, für Kultur, für Freunde. Nicht alles darf dem Kalkül des ökonomischen Nutzens unterworfen werden.» Dafür sei der Schutz des Sonntags «ein starkes Symbol»

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erklärte, mit dem Grundsatzurteil aus Karlsruhe werde ein deutliches Zeichen für den Erhalt und Schutz der Sonn- und Feiertage und damit gegen die totale Ökonomisierung der Gesellschaft gesetzt. ZdK-Präsident Alois Glück dankte den beiden Kirchen, dass sie das Grundsatzverfahren nach Karlsruhe getragen haben. Damit sei es gelungen, den immer weiter ausgreifenden Liberalisierungstendenzen der Ladenschlussgesetze einen Riegel vorzuschieben hat".

Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Göring-Eckardt, begrüßte das Urteil. Der arbeitsfreie Sonntag ohne Ladenöffnungen habe etwas Verbindendes in der Gesellschaft, sagte die Grünen-Politikerin im ZDF. Der Sonntag sei "ein Geschenk der Christen an die Gesellschaft". Sonntagsruhe bedeute, Begegnungen möglich zu machen, sagte sie weiter. Die Priorität liege bei der Familie, bei der Gemeinschaft.

Der Staatsrechtler Hans Michael Heinig sprach von einer bahnbrechenden Entscheidung. Das Gericht mache damit klar, dass die Verfassung nicht einfach für den Kommerz verletzt werden dürfe, sagte der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD dem epd. Indem es das Klagerecht der Kirchen zugelassen hat, habe das Verfassungsgericht "juristisches Neuland" betreten.

Für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sagte die stellvertretende Vorsitzende Margret Mönig-Raane, das Urteil es sei ein "großer Erfolg" für die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und das Erzbistum Berlin. Die Gewerkschaft hatte die Kirchen bei ihrem Vorgehen gegen die Ladenöffnungen unterstützt. Bundesweit könnten Millionen Einzelhandelsbeschäftigte und ihre Familien den Sonntag nun gemeinsam genießen, sagte Mönig-Raane.