Politik und Kirche besorgt über Schweizer Minarettverbot

Bestürzung und Befremden

Das Schweizer Veto gegen den Bau von Minaretten ist in Deutschland weithin kritisiert worden. Politik, Kirchen und Vertreter der Muslime warnten am Montag vor negativen Folgen für den interreligiösen Dialog in Europa und für Christen in islamischen Ländern. Befürchtet wird, dass die Entscheidung ein Signal für eine europaweite islamfeindliche Volksbewegung werden könnte.

 (DR)

«Mit großer Sorge» reagierte die Deutsche Bischofskonferenz auf den Volksentscheid. Das Ergebnis könne dem guten Zusammenleben der Religionen und Kulturen im Nachbarland schaden, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. Den Christen in islamischen Ländern werde die Entscheidung nicht helfen.

Zollitsch verwies darauf, dass nach Ansicht der katholischen Bischöfe zur Religionsfreiheit auch das Recht der Muslime auf den Bau würdiger Moscheen zählt. «Gerade weil wir Christen die Einschränkungen der Religionsfreiheit in muslimisch geprägten Ländern ablehnen und verurteilen, setzen wir uns nicht nur für die Rechte der dortigen Christen ein, sondern auch für die Rechte der Muslime bei uns», sagte der Freiburger Erzbischof.

Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Katrin Göring-Eckardt, zeigte sich bestürzt über das Ergebnis des Referendums: «Ich bin erschüttert», sagte sie im ZDF-«Morgenmagazin». «Muslime sind nicht willkommen in der Schweiz» - das sei das Signal, dass von der Mehrheit der Schweizer ausgehe. Das Votum sei ausgrenzend, demokratiefeindlich und verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, erklärte die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin. Religionsfreiheit und Minderheitenrechte dürften nicht in einem Referendum zur Abstimmung gestellt werden.

Enttäuschung und Befremden
Auch Vertreter der Kirchen und der Muslime in der Schweiz äußerten Enttäuschung und Befremden. Die Schweizer Bischofskonferenz nannte die Entscheidung «ein Hindernis und eine große Herausforderung auf dem gemeinsamen Weg der Integration in Dialog und gegenseitigem Respekt». Sie schade dem guten Zusammenleben der Religionen und Kulturen. Den bedrängten und verfolgten Christen in islamischen Ländern werde die Zustimmung zu der Initiative nicht helfen, sondern beschädige ihre Glaubwürdigkeit, erklärten die Bischöfe in Freiburg.

Die Muslime würden jetzt abwarten, wie sich das Ergebnis auf ihren Alltag auswirke, sagte der Präsident der Föderation Islamischer Dachverbände in der Schweiz (FIDS), Hisham Maizar. Die FIDS und die Koordination Islamischer Organisationen Schweiz warfen den Initiatoren in einer gemeinsamen Erklärung vor, es sei ihnen nicht in erster Linie um Minarette gegangen. Sie äußerten sich zugleich dankbar dafür, dass die Regierung, das Parlament, die meisten Parteien und die «Schwesterreligionen Judentum und Christentum» sich für das Grundrecht der Religionsfreiheit und den Schutz der Minderheiten eingesetzt hätten.

Kritik der EU-Präsidentschaft
Auch die schwedische EU-Präsidentschaft hat das Schweizer Votum gegen Minarette kritisiert. Es sei merkwürdig, dass man mit einem Referendum über Fragen entscheide, die eigentlich Thema der Stadtplanung seien, sagte der schwedische Migrationsminister Tobias Billström am Montag in Brüssel. Es sei schwierig, wenn die Politik über architektonische Fragen entscheide, so Billström vor Beginn der Zusammenkunft der EU-Innen- und Justizminister. In Schweden sei ein Minarett-Verbot zudem wohl kaum durchzusetzen, weil dem die Religionsfreiheit entgegenstehe.

Auch Schwedens Justizministerin Beatrice Ask äußerte sich kritisch. Sie glaube an die Freiheit. Weiter sagte Ask. «Ich denke nicht, dass man ein gutes Europa bauen kann, ohne dass es das Recht gibt, sich auszudrücken und seinen Glauben zu haben», so die Ministerin.

Bosbach: Referendum über Minarette in der Schweiz ernst nehmen Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), hat dazu aufgerufen, das Votum der Schweizer gegen den Bau von Minaretten ernst zu nehmen. Das Ergebnis der Volksabstimmung sei Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor der Islamisierung der Gesellschaft, sagte Bosbach der «Berliner Zeitung» (Montagsausgabe). «Diese Sorge muss man ernst nehmen.» Bosbach plädierte für eine offensive Debatte, wenn Moscheebau-Projekte in Deutschland anstehen. Etwa 58 Prozent der Schweizer hatten sich in der Volksabstimmung am Sonntag für ein Bauverbot für Minarette ausgesprochen.

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy bezeichnete die Entscheidung der Schweizer dagegen als sehr problematisch. Wer Religionsfreiheit garantiere, müsse den Anhängern verschiedener Religionen auch die Möglichkeit geben, Gotteshäuser zu bauen. Eine Entscheidung wie in der Schweiz wäre mit dem deutschen Grundgesetz nicht vereinbar, sagte Edathy der «Berliner Zeitung». Er glaube nicht, dass das Ergebnis negativen Einfluss auf die Integrationsdebatte in Deutschland haben werde.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagte der «Berliner Zeitung»: «Dieses Ergebnis ist sehr bedauerlich.» Über ein Grundrecht wie die Religionsfreiheit sollte man nicht abstimmen dürfen. «Ein Minarett gehört zu einer Moschee.»

Kritik auch vom Chef der Vatikanzeitung
Bedauern über den Ausgang des Schweizer Minarett-Referendums hat auch der Chefredakteur der Vatikanzeitung «Osservatore Romano», Giovanni Maria Vian, geäußert. Eine Instrumentalisierung der Religion habe stets «schlechte, giftige Früchte gebracht», sagte Vian in einem Interview der Tageszeitung «Corriere della Sera» (Montag). Auch die katholische Kirche müsse Selbstkritik üben, weil es ihr nicht gelungen sei, die Wähler zur Zurückweisung des Minarettverbots zu überzeugen.

Mit Verweis auf ähnliche Initiativen in Österreich sprach Vian von «politischem Extremismus», der mit der Angst operiere. Auch wenn sich faktisch nicht viel ändern werde, habe das Referendum Symbolwert für die in der Schweiz lebenden Muslime. «Auch die Freiheit der Christen in islamischen Ländern steht auf dem Spiel», warnte Vian.

Der «Osservatore»-Direktor berief sich bei seiner Kritik auch auf den Präsidenten des Päpstlichen Migrantenrates, Erzbischof Antonio Maria Veglio. «Jesus hätte sich nicht so verhalten», sagte Vian über die Mehrheit des Schweizer Stimmvolks. Die Ablehnung eines Minarettverbots heiße nicht, Probleme zu ignorieren. Der Islam müsse vor allem das Verhältnis zwischen Religion und Politik klären.

Vian nannte es zugleich «lächerlich», dass die Grünen nun den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gegen das Referendum anrufen wollten. Damit wende man sich ausgerechnet an die Instanz, die sich zuletzt gegen das Zeigen von Kreuzen ausgesprochen habe.
"Köhler: Sehr erschrocken"
Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, bedauerte das Ergebnis des Volksentscheids. Dem Nachrichtensender N24 sagte er, er sei «sehr erschrocken, dass eine rechtspopulistische Bewegung und eine rechtspopulistische Partei eine so überwältigende Mehrheit für so ein Verbot erringen konnte». Von der Schweiz könne ein Signal ausgehen: Zu befürchten sei, dass es zu einer europaweiten islamfeindlichen Volksbewegung kommen könnte.

Der Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates, Memet Kilic (Bündnis 90/Die Grünen), warnte im Deutschlandradio davor, die Ausübung von Grundrechten zum Gegenstand von Volksabstimmungen zu machen. Er hoffe, dass das Minarettverbot vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keinen Bestand haben werde. Kilic warnte zugleich vor einem Kulturkampf: So müssten einerseits die Sorgen der Bevölkerung vor dem Islam und um die eigene kulturelle Identität ernst genommen werden. Andererseits seien jetzt die «Intellektuellen an der Reihe, um diese Sorgen von der Bevölkerung zu zerstreuen».

Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur zeigte sich schockiert vom Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung. Sie befürchte, dass diese Initiative eine Dynamik in anderen europäischen Ländern auslöse, sagte Amirpur dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Es bestehe die Gefahr, dass die Muslime am Ende in Europa keinen Platz mehr hätten.

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